Rezension: The Dead White World (Cthulhu Apocalypse)
08 Mai 2011

Der Autor

Wenn ich nicht gerade spiele verunstalte ich Medien. Kommt einem zu Gute bei eigenen Rollenspielen wie Malmsturm oder Projekten wie Ratten!, Savage Worlds Gentlemens Edition, Scion, Sundered Skies und ein paar anderen. An und für sich bin ich der Erzählonkel, daher auch die große liebe zu FATE. Manchmal muss es aber auch ein Burger statt Steak sein und so wird gern und oft auch Savage Worlds oder wenn es klasisch sein soll Pathfinder und Konsorten gespielt. Ich probier gern und oft Systeme aus aber die eigentliche Leidenschaft sind die Hintergrundwelten.

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Cthulhu

Es gibt wohl keinen Hintergrund der noch nicht mit dem Cthulhu Mythos vermengt wurde. Neben dem klassischen Spiel zur Zeit Lovecrafts in den 20er und 30er Jahren gibt es für fast alle Epochen und Regionen cthuloide Interpretationen. Ob die Antike, das Mittelalter, die heutigen Großstädte oder Cyberpunk und Endzeit, es ist wohl schon alles mit den großen Alten konfrontiert worden.
Die Trail of Cthulhu(Gumshoe) Produktreihe von Pelgrane Press blieb bisher klassisch in den 30ern verhaftet, geht nun aber – der Epoche trotzdem die Treue haltend – mit einem apokalypse Setting ausgefallenere Wege. Mit dem ersten Band der nach eigenen Aussagen sehnsüchtig erwarteten „Cthulhu Apocalypse“ Reihe startet eine dreibändige und in 12 zusammenhängende Episoden aufgeteilte Kampagne die den Weltuntergang 1936 ansetzen lässt. Das besondere daran ist, dass die Katastrophenursache selber eine Dynamik entfaltet die die Welt deutlich anders als andere untergegangene Welten wirken lässt.

Das vorliegende erste Buch enthält neben den ersten drei Episoden auf seinen etwa 50 Seiten auch allgemeine Hinweise zum Thema Endzeit in Cthulhu, Informationen über die Spielercharaktere und den Ton des Settings überhaupt. Die sicherlich auch für andere Cthulhu-Systeme leicht anpassbare Kampagne ist dabei auf das Trail of Cthulhu ausgelegt und soll mit der kommenden „Apocalypse Machine“ noch etwas besser bespielt werden können. Dabei sind die am Rande eingestreuten hinweise auf die ‚Machine‘ im wesentlichen eine handvoll anders gefasste Fertigkeiten und Hinweise zur Spielweise, so dass eine volle Kompatibilität mit den bestehenden Regeln gewährleistet ist. Den mit Trail of Cthulhu oder einem anderen Gumshoespiel vertrauten Spielleiter erwartet hier also wenig neues, dafür aber ein paar nützliche Tipps.

Nützliche Tipps finden sich auch sonst immer wieder im Buch verstreut. Kleine Boxen geben Hinweise auf die Funktionen gewisser Plotelemente, wie z.B. eine Fluchtsituation regeltechnisch umgesetzt werden kann, oder welche Funktion Wahrnehmungswürfe für die Spannung einnehmen können und sollen, wodurch der Spielleiter gut entscheiden kann von welchen Regelungen und proben er Gebrauch macht.
Solche praktischen Tipps begleiten insbesondere auch die Charaktererstellung. Die Kampagne kommt zwar mit sechs vorgefertigten Investigatoren daher, bietet aber auch Anweisungen um eigene passende Charaktere für die Kampagne zu erstellen. Durch diese verhältnismäßig eingeschränkte Erstellung wird gewährleistet, dass die Charaktere auch nach dem Weltuntergang überleben können und dass es plausibel ist, dass die überhaupt Charaktere überleben. Offen und angenehm geschrieben wird dem Spielleiter hier das Leben etwas leichter gemacht und der Einstieg ins Szenario bereits bei der Charaktererstellung forciert. So werden Schnittpunkte zwischen den Charakteren, gemeinsame bekannte und ein erstes gemeinsames Ziel festgelegt.
Solche Strukturiertheit und Zielgerichtetheit durchzieht auch den Rest des pdfs positiv.
Bevor der Spielleiter an den eigentlichen Plot geführt wird, erfährt er einen generellen Überblick über die Geschehnisse und die Beschreibung der wichtigsten NPCs. Gerade die Beschreibungen der NPCs heben sich dabei von anderen Abenteuern stark ab. So finden sich die jeweils relevanten Stats erst im Abenteuer selber, dafür werden die Motivationen und Funktionen der NPCs beschrieben und von Anweisungen zur Darstellung begleitet. Dies geht so weit, dass Akzente, Körperhaltung und Mimik beschrieben werden und Empfehlungen zur schauspielerischen Darstellung geliefert werden. Was auf den ersten blick skurrile Züge trägt wie z.B. die Beschreibung wie eine Hand gehalten werden soll um das Zigarettenrauchen darzustellen, oder welchen Blick der Spielleiter als welcher NPC annehmen soll, hilft durchaus die Charakter zu unterscheiden und ist praxisnah wie nur wenige Abenteuer. Das ‚Schauspiel‘ ist dabei so grob gehalten dass es keinen Spielleiter überfordern sollte und doch subtil genug um nicht in Lächerlichkeit auszuarten.
Eine solche Praxisnähe bestimmt auch die Abenteuerstruktur. Nach einer Einleitung von ein paar Sätzen folgt für jedes der drei Abenteuer der Hook, die Grundfrage, die schreckliche Wahrheit und schließlich eine knappe Zusammenfassung des Plots. Darauf folgen die eigentlichen Szenen, die um den oder die zu findenden Kernhinweis/e herum gruppiert sind. Hieran schließen sich Möglichkeiten an, wie eben diese Hinweise durch Fertigkeiten an die Charaktere gebracht werden. Jede passende Fertigkeit vermittelt so auf andere Weise und mit leichten Detailverschiebungen einen zentralen Hinweis der für den verlauf nötig ist. Ob eine Todesursache durch Spurensuche, Biologie oder Verhören herausgefunden wird ist so für den Spielverlauf selber verhältnismäßig irrelevant und bestimmt nur die Art und Weise der Beschreibung, was jedoch immer wieder zu überdehnten Antworten führt die nicht immer plausibel sind. So wird dem Spielleiter eine Vielzahl an Möglichkeiten angeboten um die Kernhinweise zu streuen, die passende Fähigkeit entscheidet jedoch primär welcher Charakter den Hinweis kriegt und wie er genau ausgeschmückt wird. Gute Ideen oder das von Gumshoe bekannte Ressourcenmanagement werden nur minimal unterstützt. Die Erlangung dieser Clues – so die Kernphilosophie von Gumshoe – hängt also nicht von Fähigkeit oder Glück oder Unglück der Charaktere ab, sondern wird von Ihnen mit etwas Mühe und Kreativität automatisch gefunden um in der Handlung voranzukommen.

Neben diese Kernhinweisen die kreativ in die Handlungen eingesponnen werden, ist dem Spielleiter und der Gruppe weitgehend Freiheit gelassen. Knappe spielnahe und bildhafte Beschreibungen ermöglichen dem Spielleiter, sich eine Vorstellung über die Situation zu machen und die Charaktere frei agieren zu lassen. Erkauft wird das jedoch immer wieder durch geskriptete Szenen die jederzeit einsetzen können um die Handlung voranzutreiben. So wird der gerade bei Endzeitszenarios gegebenen Gefahr entgegengewirkt dass die Charaktere Beschäftigungslos in der ausgestorbenen Welt stehen und dennoch der Raum zur freien Erkundung gelassen. Die Handlungsfreiheit hat jedoch wenig wirklichen Einfluss auf den voranpeitschenden Plot.
Mit diesen festen Szenen und der eigentlichen Handlung tut sich auch schnell das endzeittypische Problem der Plausibilität auf. Zwar wird die Frage warum es genau die Spielercharaktere sind die Überleben geschickt gelöst indem die Charaktere keine Auserwählten oder zufällig Überlebende sind, sondern indem sie bereits so erstellt erden, dass sie rückblickend die Personen sind, die plausiblerweise nicht von der Katastrophe befallen werden, doch nur kurz nach den Eröffnungsszenen wird diese Nachvollziehbarkeit schnell wieder verlassen. So stoßen die Charaktere ganz zufällig mit Kernfiguren der Katastrophe zusammen und stolpern gar über den Ausbruchsort der die ganze Welt verheerenden Katastrophe. Death White World zeichnet in der Folge mit dicken Pinselstrichen, wenn die Charaktere auf investigative Weise Stück für Stück mit dem Grauen der Apokalypse und den Ursachen des ganzen Weltuntergangs konfrontiert werden. Die Charaktere scheinen immer zufällig da zu sein, wo der große Knall geschieht, geraten ins Interesse seltsamer Entitäten und beobachten sogar ganze zusammenbrechende Städte. Charaktere werden von fremden Mächten kontrolliert und seltsame Briefe erreichen sie. Dieser dicke Farbauftrag hält über alle Abenteuer an. Zwar gibt es immer wieder Szenen die gemäßigt auftreten und durch wohlgewählte Skurrilität und Endzeitstimmung überzeugen und vom Spielleiter problemlos ausgebaut werden können, sie bleiben aber Etappen in einem waghalsigen Roadmovie. Die Charaktere wechseln rasant die Orte und finden Hinweise die Sie vom heimeligen England bis nach Amerika reißen werden. Die Episoden führen dabei allesamt in Situationen von ungeahntem Ausmaß. So wird den Charakteren im extrem sogar die Entscheidung überlassen welcher Untergang den ganzen britischen Inseln bevorsteht. Die großen Alten, Alienrassen und komplexeste Magie geschehen nicht in der Ferne, sondern fallen den Charakteren Zufall über Zufall vor die Füße.
Dabei ist sicherlich Geschmacksache ob der Ton eines solcher Plots der Gruppe behagt. Zumindest nimmt er jedoch der kreativ und liebevoll zerstörten Welt einen Teil ihrer Plausibilität. Im Gegenzug werden die Charaktere dafür deutlich involviert und die Runde gerät nicht in Gefahr auf Grund der gänzlich freien und nahezu unbelebten Welt in Langeweile versetzt zu werden. Die weltverändernden Geschehnisse passieren nicht unerkannt an den Spielern vorbei, sondern betreffen sie mehr oder minder direkt.

Fazit
Alles in allem erhält der Spielleiter mit dem ersten Kampagnenteil eine funktionsfähige und komfortabel aufbereitete Kampagne in einem ausgefallenen Setting.
Die Struktur des Abenteuers ermöglicht dem geneigten Spielleiter weitgehende Freiheit und bewahrt doch immer den Überblick. Fast jederzeit kann so die Geschwindigkeit des Spiels verändert werden und sich so nach der Spielgruppe gerichtet werden. Auch die Gestaltung der Details obliegt dem jeweiligen Spielleiter, der dabei durch Beispiele, Randnotizen und zwei Tabellen gut unterstützt wird. Anmerkungen über die Funktionen der Charaktere und Orte ermöglichen ihm zudem zu improvisieren und auch die Konsequenzen abwegigerer Aktionen abzuschätzen. Die ganze Darstellung ist extrem Zielgerichtet, spielleiterfreundlich und dabei noch gut zu lesen. Auf der Gegenseite ist der eigentliche Plot eine sehr bunte und teilweise erzwungen zusammengebrachte Bahnfahrt in der die Handlungen der Charaktere keine ernsthaften Konsequenzen auslösen. Der dabei gewöhnungsbedürftig pulpige Plot wird etwas durch das außergewöhnliche Setting gewürzt, so dass auch für bloße Settingsucher etwas dabei ist. Die sind aber vermutlich mit der kommenden Apocalypse Machine besser bedient.
Technisch kann das pdf neben einigen Verlinkungen durch solide aber nicht überwältigende Handouts, einem schönen Layout und fünf gelungene gerenderte Illustrationen überzeugen.

Titel: Dead White World (Cthulhu Apocalypse Band 1)
Art: Kampagnenband
Sprache: British English
Verlag: Pelgrane Press
Publikationsjahr: 2011
Autor: Pelgrane Press
Illustrationen: Alessandro Alaia
Umfang: 54 Seiten
Bindung: PDF
Preis: ca. 4,95€
Rezensent: Andreas G.

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2 Comments
2 Kommentare
  1. Cyberpunk und Endzeit wurde schon mit Cthulhu belegt? Wie hießen die Titel?

  2. Hi,
    neben CthulhuTech das zwischen beidme steht gibt es zu beidem einige veröffentlichungen.

    Endzeit gab es in der CW 8 (Tote Träume) und das Anduin Magazin wartet auch mit einem Abenteuer auf: http://anduin-fanzine.de/fanzine/anduin-98.html Ebenso Greifenklaue#7

    was Cyberpunk angeht gibt es neben einem Projekt von Skyrock: http://www.cthulhu-forum.de/th.....20b4c7c76b
    noch CthuluPunk (GURPS): http://www.sjgames.com/gurps/books/cthulhupunk/

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