Der Autor
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Einleitende Worte
Inzwischen reicht die Zeit, die ich in imaginären Welten verbracht habe, über drei Dekaden zurück. In dieser Periode sind viele Verlage angetreten, gross geworden und wieder verschwunden. Das gleiche gilt für entsprechende Rollenspielsysteme und -welten. Der Markt hat sich mehrfach verändert. Neben den Einbrüchen durch andere Spiele wie TCGs und Wargames, hat sich der Schwerpunkt zeitweise von Simulations-lastigen zu Story-lastigen, von Welt-spezifischen zu Universalen Spielen verschoben.
Zahlreiche dieser Veränderungen habe ich in diversen Runden hautnah miterlebt. Darüber hinaus hat sich auch mein privates und berufliches Umfeld in dieser Zeit massiv verändert – und damit mein Geschmack, meine Möglichkeiten und Bedürfnisse.
Als eher konservativer Spieler/Spielleiter haben mich viele Spiele der letzten Jahre kalt gelassen oder gar abgestossen. Dice-pool Regelwerke fallen da ebenso drunter wie die unüberschaubar grosse Menge an d20-Klonen. Auch der jüngste Trend MMORPGs, also Computer basierte Online „Rollenspiele“ und ihre P&P Varianten einander anzunähern, stösst bei mir auf erhöhte Abneigung, obgleich mir die wirtschaftlichen Beweggründe dahinter klar sind.
Heute definiert sich der Wert eines Spiels vor allem nach folgenden Gesichtspunkten:
- Artwork, wobei ich hier ein sauberes b&w bevorzuge. Der heutige Trend zu Farbe ist selten schön, treibt aber allzuoft den Preis eines Produktes in die Höhe.
- einfache, schnell zu erlernende Regeln, die einer durchgängigen Logik folgen und entsprechend wenige Ausnahmen definieren (sog. Talente, Vorteile/Nachteile, usw.)
- ein Regelwerk, das grundsätzlich die Besonderheiten einer Spielwelt stimmig in seinen Mechanismen widerspiegelt
- und schliesslich selbige Spielwelt, die mit kurzen aber anregenden Beschreibungen so lebendig dargestellt wird, dass sie unmittelbar zum spielen animiert und beim Spielleiter unzählige Abenteuer-Ideen assoziiert.
Ich schreibe dies so ausführlich damit klar wird wo mein persönlicher Geschmack liegt. Hierdurch soll eine bessere Einschätzung des Wertes meiner Rezension für jeden persönlich möglich sein.
Präsentation
Wie zuvor erwähnt ist mir der Farbwahn der letzten Jahre nach wie vor suspekt. Häufig wird einem hier ein Einheitsbrei serviert, der ebenso detailarm wie unspezifisch ist. Auf den ersten Blick mögen die neuesten Inkarnationen von Rolemaster oder DSA ansprechend sein. Doch fehlt ihnen inzwischen der Charakter, welcher sie optisch über die Jahre definiert hat. Symbaroum kommt hier überraschend markant daher. Neben einem sauberen und übersichtlichen Layout ist das gebotene Artwork wirklich als solches zu bezeichnen: jede einzelne Zeichnung ist ein kleines Kunstwerk, das mit jedem Farbklecks die Atmosphäre der Spielwelt widerspiegelt, bzw. klar definiert. Das Setting von Symbaroum, der Wald Davokar und die umliegenden Lande, kommt demnach betont düster daher. Auch wenn die Völker in diesem Landstrich an eine positive Zukunft glauben, sprechen die Bilder von abartigen Alpträumen die in der Finsternis lauern. Selbst die menschliche Gesellschaft zeigt an vielen Stellen, dass sie bereits korrumpierte Auswüchse zeitigt. Diese gehen offenbar nicht zuletzt auf den Krieg mit der Dunkelheit zurück. In den Zeichnungen äussert sich das zB mit unmenschlichen Masken und Kreaturen wie sie dem Horror japanischer Zeichentrickfilme entstammen. Prinzessin Mononoke wird hier immer wieder passend zitiert. Gleichsam finden sich Anlehnungen an nordische Mythen, Lovecrafts Horror und dem aus dem Zombie-Genre bekannten Weltuntergangsszenario.
Von der ersten bis zur letzten Seite ist es ein Genuss das Regelbuch durchzublättern.
Charaktererschaffung
Zunächst einmal fällt auf, dass das Charakterblatt inhaltlich überschaubar ist, kaum komplexer als jenes von „Der eine Ringe“ zum Beispiel. Im Spiel hat sich gezeigt, dass Aufteilung und Übersichtlichkeit einem klaren Design folgen und so einen reibungslosen Umgang mit den Spielwerten einer Figur gewährleisten.
Die Charaktererschaffung folgt leider nicht ganz diesem einfachen Aufbau. Um sämtliche Unsicherheiten zu beseitigen und offene Fragen zu klären, ist es nötig zunächst im Prinzip das gesamte Regelwerk gelesen zu haben – und zusätzlich das bereits vom Verlag erhältliche Errata. Verwirrung entsteht beim ersten Lesen hauptsächlich durch Kleinigkeiten. Einmal verstanden ist der Prozess der Charaktererschaffung aber schliesslich schnell und problemlos.
Figuren setzen sich aus einer Kombination aus einer Klasse, den 8 Attributen, einem/r Volk/Rasse, dem Beruf und möglicherweise einer magischen Tradition zusammen. Diese bauen jeweils aufeinander auf und ergeben die mögliche Auswahl an Fertigkeiten und Talenten. Unabhängig davon gibt es natürlich die Möglichkeit seinen Charakter auch vollkommen unabhängig von diesen Restriktionen zu bauen. Mit ein wenig Übung gelingt es ohne weiteres eine brauchbare Figur in unter 10 Minuten zu erstellen. Wem das immer noch zu langsam ist, der kann auch auf die angebotenen Beispielcharaktere zurück greifen.
System
Während beim Hintergrund vielfach der Eindruck entsteht ,dass Symbaroum sich einfach am Besten verschiedener anderer Hintergrundwelten bedient und einen interessanten Mix daraus fabriziert, bieten die Regeln tatsächlich einen seltenen, erfrischenden Ansatz. Allerdings muss ich anmerken, dass mir selbiger am Anfang gewöhnungsbedürftig erschien. Als verhältnismäßig konservativer Spielleiter, der sehr gerne selbst die Würfel rollen lässt, fühlte ich mich beim vorliegenden Regelwerk beinahe kastriert. Würfe werden fast ausschließlich von den Spielern durchgeführt. NSCs oder andere Hindernisse treten lediglich als Modifikatoren für diese Würfe in Erscheinung. Das auf einem d20 basierende Wurfsystem legt hier immer einen erschwerten oder erleichterten Attributswurf zugrunde. Nach anfänglicher Ablehnung musste ich bereits nach wenigen Stunden Spielzeit feststellen, dass mir der Mechanismus gefällt. Auch wenn mir das Würfeln immer noch fehlt, selbst nach 2 Abenteuern, kann ich getrost sagen, dass das wohl eher nostalgischen Gefühlen zu verdanken ist. Symbaroums Regeln räumen dem Spielleiter tatsächlich mehr Raum und Zeit frei, die er besser in Stil und Plot investieren kann. Einem Freund eher simulatorischer Spiele werden hier die Haare zu Berge stehen. Aber sowohl Liebhaber ausgefeilter Optionen, als auch Freunde eher leichterer, Story bezogener Regeln finden hier ihre Freude.
Ein zentraler Bestandteil des Spiels ist die Mystik, bzw. das Magiesystem. Nicht unähnlich einigen anderen Spieluniversen, ist Zauberei vom Prinzip die Versuchung von Macht, welche die Seelen der Nutzer nach und nach vergiftet. An vielen Stellen findet sich der Mechanismus dieser korrumpierenden Kraft wieder und bedroht wie zB bei Cthulhu, Star Wars oder Der Eine Ring eine Spielfigur auf mehreren Ebenen. Und so kann es durchaus passieren, dass nicht nur die Hexe, von der man es fast schon erwartet, sondern auch der vermeintlich tugendhafte Krieger, alsbald den finsteren Mächten zum Opfer fällt und auf die Seite der NSCs wechselt.
Spielbarkeit
Symbaroum ist ein Regelwerk, das darauf ausgelegt ist zu schnellen Lösungen zu führen. Egal ob bei Fertigkeiten und Talenten oder im Kampf: wenige einfache Würfe führen zu plastischen Ergebnissen, die wieder unmittelbar zurück ins Spiel führen und die Stimmung unterstützen. Gerade Auseinandersetzungen mit Waffengewalt unterstreichen hier auch das düstere, blutige Element. Charaktere und deren Gegner verfügen nur über ein geringes Widerstandspotential. Einmal erhaltener Schaden führt häufig zu schnellem Ableben oder bleibt lange erhalten bis er verheilt ist. Damit wurde die Tödlichkeit des Systems schnell offenbar. Meine Spieler verhielten sich entsprechend ihren Erfahrungen von anderen Spielen wie Stormbringer oder Warhammer. Sie setzten fortan alles daran nur zwingend notwendige Kämpfe auszufechten – und auch dann nur nachdem sie alle Möglichkeiten ausgeschöpft hatten, die Chancen zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Das führte dazu, dass die Gruppe viel tiefer in die Spielwelt eintauchte und aktiver mit der Umwelt interagierte.
Alles in allem verhält sich das Regelwerk schnell und elegant in der Handhabung. Selten hatten wir in den letzten Jahren so viel Spass ein neues System auszuprobieren und seine Feinheiten kennen zu lernen.
Spielwelt
Im Grunde sind die wichtigsten Anhaltspunkte zur Stimmung der Spielwelt bereits weiter oben erwähnt. Die Beschreibung des Settings beschränkt sich hierbei bewusst zunächst auf ein relativ überschaubares Areal, das auch nur mit mässiger Tiefe dargestellt wird. Quellenbücher zu einzelnen Themen und Arealen sollen folgen und das Setting weiter ausbauen. Allerdings verzichtet der Verlag absichtlich darauf, jeden Aspekt der Spielwelt bis ins Detail auszuarbeiten und überlässt auch für später weite Teile den kreativen Köpfen der Spielleiter. So wird am Ende jede Gruppe in ihrem eigenen Symbaroum spielen, dass sich signifikant von den anderen unterscheiden wird. Davokar und Ambria, die Hauptschauplätze, werden also nie an Aventurien heran reichen. Für den ein oder anderen mag das eher ein Fluch als ein Segen sein. Mir ermöglichte es einmal aufzuatmen und zu meinem gewohnten Stil zurück zu finden – Abenteuer während des Spielens zu entwickeln und den Hintergrund nach meinen Bedürfnissen improvisiert weiter auszuarbeiten. Järnringen tut hier alles um den Spielleiter tatkräftig zu unterstützen. Mit den beiden Zusatzheften/PDFs hat der Spielleiter insgesamt einen gut bestückten Baukasten an der Hand, um auf Jahre hinaus kein weiteres Material zu benötigen. Unabhängig davon hoffe ich sehr, dass der Verlag Wort hält und dieses Spiel lange und mit zahlreichen Quellen und Abenteuern unterstützen wird.
Fazit
In unserer Spielrunde wurde Symbaroum sofort und mit grosser Begeisterung aufgenommen. Anfänglich war der Würfelmechanismus ungewohnt, vermittelte den Spielern aber letztlich das Gefühl mehr Einfluss auf das Spiel zu haben. Meine Gruppe sah sich in kürzester Zeit in die Konflikte im Ambrischen Reich hineingezogen und fühlte sich stark persönlich motiviert den finsteren Wald von Davokar zu erforschen und die Geheimnisse um Symbaroum zu lüften, einer uralten verlorenen Zivilisation, die lange vor den derzeitigen Einwohnern untergegangen ist.
Die Spielwelt ist reich an Intrigen, Abenteuern, Erforschung, fühlbarem Grauen und einem gesunden Mix vieler anderer Elemente, die uns sicher noch lange mit spannenden Abenteuern versorgen werden. Unter dem Strich bleibt demnach nur eine uneingeschränkte Empfehlung auszusprechen. Wenn der Verlag tatsächlich in den nächsten Jahren kontinuierlich noch zusätzliches Material publiziert, ist Symbaroum ein fester Platz am Sternenhimmel sicher. Wer auf düstere Welten mit komplexen moralischen und ethischen Hintergründen steht, wird dann nicht mehr an Järnringen vorbei kommen.
Rezension: Kai-Uwe Ratzeburg
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