Markus Heitz‘ Justifiers
Halli und hallo wir zwei starten auch direkt ins neue Jahr mit einer Rezension. Ich hoffe du und diene lieben sind gut rübergekommen. In der heutigen Rezension geht es um „Justifiers“ das neue Abenteuerspiel von Ulisses. Die Spieler übernehmen darin die Rollen von so genannten Betas, von einem Konzern gezüchteten Tiermenschen, die im Jahr 3042 neue Welten erforschen und erschließen sollen.
Manchem mag das Konzept bekannt vorkommen, und er irrt nicht: „Justifiers“ ist der Titel eines obskuren Rollenspiel, das in den 80er Jahren erschien und sogar eine zweite Auflage erhielt, dann aber wieder von der Bildfläche verschwand. Fans der kleinen Hefte werden mir bei dem Begriff „obskur“ vielleicht widersprechen, immerhin listet RPGGeek.com neun Quellenbücher und Abenteuer. Mit Sicherheit widersprechen wird mir Markus Heitz, der erinnerte sich nämlich vor einiger Zeit an seine vielen spaßigen Rollenspielabende, die er nach eigener Aussage mit dem Spiel hatte, was ihn dazu veranlasste die Rechteinhaber ausfindig zu machen und die Rechte zu kaufen. So erschien dieses Jahr sein Roman „Collector“, auf dessen Umschlag der Name „Justifiers“ zwar nicht auftaucht, der aber dennoch der erste Roman in einer ganzen Reihe ist, die im von Heitz persönlich erweiterten und modernisierten Justifiers-Universum spielen. Doch nicht nur das: Eine Comicumsetzung des Romans ist bereits in Arbeit, in einer Buchreihe mit anderen Autoren erscheint bald das zweite Buch und ich meine mich zu erinnern, dass ich auch etwas von einem Computerspiel gelesen habe. Und dann ist da natürlich noch das hier besprochene Abenteuerspiel.
Von Format und Aufmachung her ähnelt das zur Messe erschienene Grundregelwerk den Büchern der John-Sinclair-Reihe: Ein stabiles, kleinformatiges Hardcover, Hochglanzseiten mit einem wie strukturiert wirkenden Seitenhintergrund, rote Überschriften, eine Seitenspalte mit Kommentaren zum Haupttext und immer wieder eingestreuten Bildern. Die Bilder treffen meinen Geschmack eher selten, obwohl sie prinzipiell gar nicht so schlecht sind, die Illustrationen der Betatypen gefallen mir beispielsweise ausgezeichnet. Leider versucht der Zeichner immer wieder Dynamik mit Hilfe von Unschärfe zu erzielen und ruiniert damit so manches ansonsten gelungene Bild. Das Bild auf dem Cover zeigt gut, was ich meine.
Markus Heitz leitet das Regelwerk mit einer Kurzgeschichte ein, dann folgt eine Zeitleiste und schließlich eine ausführliche Einführung in des Setting aus der Sicht von Ice McCool, einem Eisbären-Beta, der seine Worte an neue Rekruten – und damit neue Spieler – richtet. Alles in allem sind das ca. 50 Seiten Einleitungstext, der zwar gut geschrieben und interessant zu lesen ist, aber mit seiner Länge Rollenspielanfänger abschrecken könnte. Als ich mit 14 Jahren die rote D&D-Box aufmachte, hätte ich solche Texte jedenfalls sofort überblättert und wäre zum „wichtigen“ Teil vorgestoßen, der erklärt, wie man das Spiel spielt.
Dieser Teil folgt aber schnell und ist so gut strukturiert, dass er jedes eventuelle Problem wieder wettmacht. Eine 10-Punkte-Liste sagt dem Spielleiterneuling genau, wie er neue Spieler an das Spiel heranführen soll und welche Worte er gebrauchen kann, um ihnen das Prinzip des Abenteuerspiels zu erklären, und eine kurze Abenteuerszene veranschaulicht das Prinzip in einem Beispiel.
Das Spielprinzip ist zunächst einmal nicht von einem „normalen“ Rollenspiel zu unterscheiden. Die Spieler erschaffen sich Figuren, die sie im Spiel verkörpern – die Betas – geben ihnen ein paar Zahlen, besondere Eigenschaften und etwas Ausrüstung und ziehen dann auf Abenteuer. Sie können aus zehn Beta-Typen (Fuchs, Nashorn, Eisbär u. a.) auswählen. Es gibt nur wenige Fertigkeiten und eine überschaubare Anzahl an Sonderfertigkeiten.
Der Unterschied zum herkömmlichen Rollenspiel – und der Unterschied, der die Abenteuerspiele besser für Anfänger geeignet machen soll – wird von Christian Lonsing anschaulich in einem langen Blog-Eintrag erklärt: Es geht darum, dem Spielleiter, die Arbeit so zu erleichtern, dass er nicht mehr der allein ausschlaggebende Faktor ist, ob ein Spiel Spaß macht oder nicht. Dies geschieht mit Hilfe von brettspielartigen Elementen und stark geführten Abenteuerszenen, in denen der Spielleiter eigentlich nur die Regeln und situationsbedingte Anweisungen befolgen muss, um den Spielabend zu einem Erfolg zu machen.
Erforschen die Charaktere beispielsweise einen neuen Planeten (ihre Hauptaufgabe als Betas), legt der Spielleiter verdeckte Karten auf den Tisch, die unterschiedliche Regionen des jeweiligen Kontinents repräsentieren. Die Spieler können sie erforschen und die Karten nach und nach umdrehen. Jede Karte verweist auf einen Text im Abenteuer. Die Spieler bewegen sich also über diese „Karte“ und erfahren immer mehr über den Planeten, haben Begegnungen mit dessen Bewohnern und den einen oder anderen Kampf. Die Landung, die Erstüberfliegung des Planeten und Ergebnisse der Erforschung werden mit einfachen Regeln abgehandelt. Ziel ist es, für den Konzern herauszufinden, wo er Profit machen kann und sich so schlussendlich seine Freiheit zu erkaufen.
So ziemlich alles im Spiel kann mit Karten dargestellt werden – Sonderfertigkeiten, die Eigenschaften des Raumschiffes, die Erkundung, Monster, etc. Viele davon befinden sich als Kopiervorlage hinten im Buch oder man kann sie in separaten Packs kaufen (ein Pack für Spieler und eines für den Spielleiter). Die Kopiervorlage ist meiner Meinung nach praktisch unbrauchbar: Entweder man kann die Karten heraustrennen oder das Buch sollte eine Liste geben, die per Hand auf Karteikarten übertragen werden kann; kopieren tut die eh keiner. Man kann die Vorlagen auch herunterladen, diese sind jedoch so dunkel, dass jede Tintenpatrone innerhalb von kürzester Zeit leer sein dürfte. Mit € 9,95 sind die Packs aber nicht teuer und werden so zu einer lohnenden Anschaffung. Der Verlag hätte dennoch irgendwo einen Hinweis anbringen können, dass jede andere Lösung so unpraktisch ist, dass man zumindest auf den Spielleiterpack praktisch nicht verzichten kann. Der Spielleiter-Pack liegt mir vor und enthält immerhin 150 Karten und alles, was man für die erste Mission auf dem Planeten Holz 11 benötigt. Das Spielerpack scheint ein netter Bonus zu sein und ist sicherlich auch zu empfehlen.
Die erste Mission ist gut strukturiert und führt hervorragend in das Spiel ein. Leider hat es aus Platzgründen nur für die Erkundung eines der Kontinente gereicht, aber mit dem noch erscheinenden Band „Justifiers: Mystery“ kann dann auch der Rest erforscht werden. Den Autoren ist es gelungen in die Planetenerforschung eine Handlung einzuflechten, was die Erkundung zu weit mehr macht als dem Abarbeiten von verdeckten Karten.
Es gibt noch viele andere kleine Regelbestandteile, die „Justifiers“ zu einem durchweg gelungenen Spiel machen. Das Schiff der Spielerfiguren wird beispielsweise von den Spielern wie eine eigene Figur erschaffen (Karten für die „Fähigkeiten“ der Schiffe liegen dem SL-Pack bei). Die Kämpfe sind schnell und actionreich. Proben werden mit einem einfachen Pool-System abgehandelt und man kann Punkte für die Planetenerkundung bekommen, die sofort in Form von Pappchips ausgezahlt werden.
Die Idee, die Planetenerkundung mit verdeckt ausliegenden Karten darzustellen, hebt „Justifiers“ von seinem Vorgänger, dem „John-Sinclair-Abenteuerspiel“ ab und macht es auch für diejenigen interessant, die sich bei den Sinclair-Abenteuern zu sehr geführt fühlen. Spielaufbau, Hintergrund und Aufbau des Buches machen „Markus Heitz‘ Justifiers“ zu einem hervorragenden Einsteigerspiel für Leute, die Interesse an Rollenspielen haben könnten. Selbst alte Hasen können damit ihren Spaß haben, denn wer wollte nicht schon immer mal einen Tigermann oder eine Waschbärenfrau spielen?
Titel: Markus Heitz‘ Justifiers
Art: Regelwerk
Regeln: Ulisses‘ Abenteuerspiele
Sprache: Deutsch
Verlag: Ulisses Spiele
Publikationsjahr: 2010
Autoren: Markus Heitz, Markus Plötz, Christian Lonsing, Alain Sarti, André Wiesler
Illustrationen: Che Rossié
Umfang: 336 Seiten
Bindung: Hardcover
Preis: 29,95 €
Rezensent: Andreas Melhorn
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