Rezension: Destiny – Beginner
11 Mai 2011

Der Autor

Wenn ich nicht gerade spiele verunstalte ich Medien. Kommt einem zu Gute bei eigenen Rollenspielen wie Malmsturm oder Projekten wie Ratten!, Savage Worlds Gentlemens Edition, Scion, Sundered Skies und ein paar anderen. An und für sich bin ich der Erzählonkel, daher auch die große liebe zu FATE. Manchmal muss es aber auch ein Burger statt Steak sein und so wird gern und oft auch Savage Worlds oder wenn es klasisch sein soll Pathfinder und Konsorten gespielt. Ich probier gern und oft Systeme aus aber die eigentliche Leidenschaft sind die Hintergrundwelten.

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Einsteigerrollenspiel

Destiny – Beginner ist eine einsteigerfreundliche Variante des Destiny Regelsystems, welches noch nicht als separates Regelsystem vorhanden ist, aber bereits in Flucht von Valmorca Verwendung findet. Die pdf umfasst auf etwa 50 Textseiten einleitendes zum Thema Rollenspiel, die Charaktererschaffung, Regelmechanismen sowie ein passendes Beispielsetting.

Beginner richtet sich deutlich an Einsteiger oder Runden denen eine sehr schnelle Charaktererschaffung und komfortable, minimalistische Regeln am Herzen liegen. Dieser Anspruch der sich zumindest teilweise auch auf das Koncept von Destiny selber anwenden lässt wird durch enggeführte Regeln und einige aus der Indyszene bekannte Weglassungen erreicht. Dabei ist das regelsystem sehr Souverän, kann einige Tücken umgehen und zeigt durchgehend ein hohes Bewußtsein der Mechanismen..

Grundmechanismen
Wie auch Destiny zeichnet sich die Beginnervariante zuerst durch zweierlei aus: Den W66 und die 8 grundlegenden Aspekte. Der W66 ist dabei ein Wurf von zwei sechsseitigen Würfeln, von denen ein dunklerer die zehnerstelle und ein hellerer die Einerstelle angibt. Dies ergibt eine recht feine lineare Auslesbarkeit die doch distinkt genug bleibt. Die damit verbunden Hürde dass ein großer Wertebereich nicht abgedeckt wird, wird durch unauffällige Einschränkungen in der Charaktererstellung und der Beschränkungen von Modifikationen auf die Zehnerstelle geschickt umgangen. So fällt dieser Umstand dass Werte wie 47 oder 50 nicht möglich sind erst bei der nachträglichen Erhöhung von Werten ins Gewicht und sorgt nicht für Rechnungen am Spieltisch. Ausserdem wird dieser W66 in einigen Situationen auf verschiedene Weisen interpretiert um weitere Ergebnisse abzuleiten. Bei den zu unterwürfelnden Proben erlauben es optimistische Proben den niedrigeren Wurf als Zehnerstelle zu interpretieren oder erzwingen pessimistischen Proben die Verwendung des höheren Würfels als zehnerstelle. Dies wiederum findet Verwendung um das Verteidigungssystem im Kampf auszugleichen.
Ebenso kann die Summe der Würfel den Erfolgswert angeben, so dass höhere Probenwerte auch höhere Erfolgswerte erlauben, diese jedoch nicht erzwingen. Dies wird für vergleichende Proben oder Schadenspunkte verwendet. Die Verwendung von nur einem -dem besseren oder schlechteren- Würfel zur Bestimmung eines Erfolgswertes ermöglicht schließlich weitere Differenzierungen.
Mit diesen wenigen Grundmechaniken bietet das System ein schnelles und doch flexibles Probensystem das in den Grundmechaniken konsequent angewendet wird.
Neben dem W66 fällt die Verwendung der 8 Aspekte auf. Diese teilen sich in zwei Sets von denen das eine Charisma, Stärke, Geschick und Intelligenz enthält und das andere Natur, Gesellschaft, Kampf und Magie. Um die Erstellung wirklich auf ein Minimum zu reduzieren muss der Spieler nicht mehr tun als eines dieser Sets zu wählen und darin eine Hauptfertigkeit zu bestimmen. Außerdem kann er als Fortgeschrittener schließlich einige Punkte umverteilen.
Die Wahl zweier Sets von denen der Charakter nur die Aspekte des einen Sets erhält mag auf den ersten Blick verwirrend erscheinen. Es führt sogar dazu, dass für Proben generell zwei Aspekte genannt werden müssen, von denen die Spieler den jeweils passenden wählen müssen. Das ganze erklärt sich jedoch im Hinblick auf die komplexere Variante von Destiny wo diese Doppelproben verwendet werden um fertigkeiten zu ersetzen und es erlaubt auch bei Destiny – Beginner differenziertere Charaktere.
So entscheidet die Wahl des Hauptattributes gleichzeitig über die Art der „großen Gabe“. Diese wird mit den Titelgebenden Destiny-Punkten aktiviert und ermöglicht herausragende Aktionen. So werden den Charakteren Sonderbefähigungen verliehen über deren Punktekosten und Effekte einige Beispiele und eine Faustregel Auskunft geben. So kommt das System ohne Zauber- oder Sonderfertigkeitslisten aus und ermöglicht doch eine breite Möglichkeit von Effekten die durch Beispiele illustriert werden.
Auch der Kampf ist wie angedeutet simpel gehalten. Eine vergleichende Probe bei der die Trefferpunkte durch eine pessimistische Verteidigungsprobe gesenkt werden ergibt fast unmittelbar die Schadenspunkte. So wird ein Schlag nicht nur auf einen Wurf pro Seite reduziert, sondern es ermöglicht auch Kombattanten durch lediglich drei Werte darzustellen: Kampfkraft, Konstitution und einen Schadensschlüssel. Dies wird gleich dazu genutzt etwa 70 potentielle gegner auf einer Seite zu präsentieren.
Alles in allem ist das System also simpel und offen gehalten ohne übermäßig auf Willkür zu bauen. Die vorhandenen Regeln werden konsequent und flexibel verwendet und ermöglichen es auch ohne große rollenspielkenntnisse Regeln zu improvisieren

Rollenspieltheorie für Einsteiger
Eine solche Einsteigerfreundlichkeit zieht sich auch durch die Präsentation des Buches. Die obligatorischen Seiten zur Frage was Rollenspiel sei, sind kurz gehalten aber prägnant. Das gleiche gilt für die wenigen Seiten zur Rolle des Spielleiters oder zum Abenteueraufbau, die wie auch der Rest des Buches konsequent durch kurze Quintessenzen der Abschnitte begleitet wird.
Der Autor geht dabei unverbissen und mit Freude am Spiel mit dem Hobby Rollenspiel um und vermeidet es nach Möglichkeit feste Lehrsätze zu präsentieren. Trotzdem werden stellenweise Überlegungen aus der Rollenspieltheorie en passant eingeführt, was einen bestimmten Spielstil nahelegt, diesen dafür konsequent unterstützt und nicht als Distinktionsmerkmal oder unabweichliche Regel präsentiert. Grundsätzlich geht es dem Autor dabei um eine erzählende Spielweise in denen Regeln mittel zum Zweck sind und in der der Spielleiter weiterhin klassische ordnende und eingreifesnde Funktionen übernimmt ohne jedoch die Konsequenzen der Spieler auszublenden. Probleme wie Railroading, oder das achten auf Spielerbedürfnisse werden ungezwungen, einsteigerfreundlich und an konkreten Problemen behandelt ohne zur Theoriedebatte zu werden.
Alles in allem bleibt Destiny – Beginner dabei klassisch. Zwar gibt es ungewohnte Elemente wie beispielsweise die Szenenwechsel die Konstitutions- und Destinypunkte regenerieren und so die Schwierigkeit von Abenteuern steuern können, solche Mechaniken fügen sich jedoch gut in das Gesamtkonzept ein und werden in seinen Funktuionen gut erklärt. So werden die Spieler auf Augenhöhe angesprochen und weder überfordert, noch mit allzu abgespeckten Regeln oder Vorlesetexten abgespeist.

Lys-Marrah eine Stadt sucht ihre Spieler
Etwa die Hälfte des Buches ist mit einem Beispielsetting versehen. Im Gegensatz zu klassischen Quick-Starts oder groben Einleitungen wird dabei statt eines Abenteuers ein kleiner Teile der Spielwelt beschrieben bei dem sich auf einen kleinen Bereich konzentriert wird.
Das behandelte Gebiet ist Lys Marrah, eine Fantasystadt die mit reichlich Konfliktstoff angereichert ist. So ist sie auf den Katakomben eines alten Tempelgewölbes errichtet, wird von einer der Wirtschaft untergeordneten Politik kontrolliert und enthält eine virulente Unterwelt. Als ob dies nicht genug wäre, herrschte hier lange Zeit mystische Dunkelheit die nun von magischen Laternen erhellt wird und neben der von den Magiern geschützten und beanspruchten Bibliothek zu Abhängigkeiten gegenüber der Magierkaste führt. Sogar Dungeoncrawls werden -ohne die Satadt zu verlassen- plausibel eingebaut und es findet sich mit den Minotauren einiger Spekulationsstoff Die klassischen aber mit Eigenheiten versehenen Fantasyrassen beleben diese Stadt mit Konflikten ohne sich gegenseitig zu bekriegen und sorgen für Farbe die viel Anregung für einfach unterscheidbare NPCs liefert und einige gleich einführt. Der Detailgrad ist dabei sehr gut gewählt. Die allgemeine Beschreibung bezieht sich auf Orte die die Charaktere besuchen können, charakterisiert diese prägnant und führt häufig NPCs und eine Konfliktmöglichkeit ein. Das ganze wird wie gewohnt von einer knappen Zusammenfassung abgeschlossen. So bietet sich viel inspirierender Stoff der zwar keine großen Überraschungen erwarten lässt aber gut umgesetzt wird und durch die grundlegenden Settingeigenheiten einen eigenen Ton gewinnt.
Auf diese knappen 10 Seiten allgemeiner Inspiration und Settingbeschreibung folgen drei konkrete Abenteuer. Knapp gehalten stellt der Autor hier jeweils ein Abenteuer in Lys Marrah vor und macht dabei von den Regelmöglichkeiten und den Spielleitertipps ausgiebig Gebrauch. Hier wird exemplarisch gezeigt wie Szenenwechsel integriert werden können, wann Proben verlangt werden und – vor allen Dingen – welche Konsequenzen die Proben haben können, sowie wie viele Erfahrungspunkte verteilt werden. Die Abenteuer sind stringent Strukturiert und allesamt so aufgebaut dass der Spielleiter bei den entscheidenden Situationen an die Hand genommen wird, ermutigen aber zu Interpretationen. Sie fügen sich alle gut in das Setting ein und bieten so passende erste Abenteuer, sind dafür jedoch wenig überraschend.
Hieran schließt sich ein ‚Spielleiter-Solo‘ an, in dem in Form bekannter Soloabenteuer das letzte Abenteuer aus Spielleitersicht dargestellt wird. Obwohl die Form es nicht erwarten lässt wird das genutzt um gerade die Improvisationsmöglichkeiten, Schwierigkeiten und Entscheidung des Spielleiters nachzuzeichnen und ihm so die letzte Hürden zum leiten nehmen. Danach folgen folgen vier kleine Beispielcharaktere mit Hintergrund und Spielwerten, sowie eine Stadtkarte, ein Index und der obligatorische Charakterbogen.

Schwierigkeiten
System und Spielwelt sind im großen und ganzen optimal auf neue Spieler ausgerichtet. Der Detailgrad ist fast optimal für eine losspielbereite Gruppe die sich ausprobieren möchte und dabei durch wirklich praxisnahe Tipps begleitet wird. Die Mühe Spielleiten ohne Hilfe am eigenen Leib zu erlernen wird weitgehend genommen und die Regeln haben einen Detailgrad der einfach umsetzbar ist und viele außergewöhnliche Aktionen durch Faustregeln ermöglicht. Anstatt Details über Sturzschäden, Wundentypen und Rüstungsbehinderungen anzugeben gibt es allgemeine Lösungsvorschläge und vor allen Dingen Beispiele. Prinzipiell ist es ein Rundumpaket um gerade junge Gruppen viele Abende Abenteuer erleben zu lassen und sie gerade auch beim improvisieren zu begleiten. Die Schwächen liegen leider stellenweise in der eigentlichen Stärke: Der Präsentation.
Zwar weisen die regelmäßigen Zusammenfassungen, die Idee des Spielleitersolos und der weitgehend gelungene Schreibstil auf eine sehr bewusste Präsentation für Einsteiger hin, diese wird jedoch durch eine sehr knappe und zu präzise Regelbeschreibung kontrastiert. So müssen einige Regelabschnitte sehr genau gelesen werden um die Regeln anwenden zu können und werden leider die meisten Abkürzungen erst im Index zusammenfassend erklärt, aber nicht im Text eingeführt. Das gleiche gilt für die Icons die die Abenteuer strukturieren helfen (Symbole für Konsequenzen bei Proben(miss)erfolg, Szenenwechsel, Kampwerte oder fällige Proben). Gerade für die Anwendung der doch knappen Abenteuer wäre eine einleitende Erklärung mehr als sinnvoll gewesen. Auch schleichen sich in manchen Absätzen doch Begrifflichkeiten ein die einem Einsteiger sicherlich nicht bekannt sein dürften. Ob Spotlight oder ein kumulativer Bonus jedem Neu-SL ein begriff sind, darf sicherlich bezweifelt werden. Dies führt dazu dass das System gerade in der passendsten Interessentenschicht etwas an Potential einbüßt, da es bei manchen Regeln und Passagen zu voraussetzungsreich argumentiert. Eine handvoll Seiten hätte hier gut getan.

Fazit
Alles in allem ist Destiny – Beginner ein gutes Produkt das nicht nur durch sein ansehnliches Layout und die sporadischen aber guten Illustrationen überzeugen kann. Die Regeln sind gut durchdacht und keine bloße Dreingabe für ein Hobbyprojekt. Das gleiche gilt für das mitgelieferte Setting dass genau den richtigen Umfang, Detailgrad und Konfliktstoff für Einsteiger bietet ohne dabei austauschbar zu sein. Destiny – Beginner ist dabei kein bloßes Einsteigerheft dass eine Schnupperrunde anbieten will oder Regelselektion anbietet, sondern ein in sich weitgehend abgeschlossenes, reifes und konsequent einsteigerorientiertes Spiel. Leider bestehen einige kleinere Makel in der Regelerklärung die es von optimalen Einsteigerprodukt trennen, dennoch gibt es meines Erachtens kein Einsteigerspiel dass seinen Job so solide erfüllt wie dieses Beginnerheft.
Für erfahrene Rollenspieler ist Destiny – Beginner jedoch nur einen bedingten Blick wert. Es kann daran erinnern wie schön die ersten Schritte ins Rollenspiel (hoffentlich) waren und eignet sich außerdem für Runden mit Einsteigern die nicht den faden Beigeschmack eines zusammengeschmolzenen Testsystems hinterlassen.

Titel: Destiny – Beginner
Art: Regelbuch
Verlag: Ace of Dice
Publikationsjahr: 2011
Umfang: 52 Seiten
Preis: Umsonst (niedrigauflösende pdf), ca.5€ (hochauflösende pdf), 7€ (Printversion)
Rezensent: Andreas G.

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