Rezension: Cthulhu Britannica
13 Feb 2010

Der Autor

Wenn ich nicht gerade spiele verunstalte ich Medien. Kommt einem zu Gute bei eigenen Rollenspielen wie Malmsturm oder Projekten wie Ratten!, Savage Worlds Gentlemens Edition, Scion, Sundered Skies und ein paar anderen. An und für sich bin ich der Erzählonkel, daher auch die große liebe zu FATE. Manchmal muss es aber auch ein Burger statt Steak sein und so wird gern und oft auch Savage Worlds oder wenn es klasisch sein soll Pathfinder und Konsorten gespielt. Ich probier gern und oft Systeme aus aber die eigentliche Leidenschaft sind die Hintergrundwelten.

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Abenteuerband

Chaosium hat 2009 außer diversen „Monographs“ (unlektorierte und unkontrollierte Bücher, die der Verlag über seine Webseite verkauft) nur wenig herausgebracht. Da freut es den Cthulhu-Fan, dass seit einiger Zeit großzügig Lizenzen vergeben werden und viele andere Verlage Cthulhu-Material herausbringen konnten. Einer dieser Verlage ist Cubicle 7, der mit „Cthulhu Britannica“ seinen ersten Vorstoß in die Welt des lovecraftschen Mythos wagt.

Das Buch mit stimmungsvollem Cover enthält 5 Abenteuer in unterschiedlichen Zeiten. Alle fünf spielen in Großbritannien und sind als One-Shots angelegt, die meisten davon können allerdings in Kampagnen eingebaut werden oder neue Kampagnen starten – immer vorausgesetzt, die Gruppe kann sich mit der jeweiligen Zeit anfreunden. Obwohl alle Abenteuer in Großbritannien spielen, sind sie nicht übermäßig britisch; der Name ist vermutlich eher der Tatsache geschuldet, dass Cublicle 7 ein britischer Verlag ist.

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Das Layout ist unspektakulär, ja geradezu trist. Auch die Bilder sind eher durchschnittlicher Qualität, auch wenn mir die meisten Zeichnungen, die den NSC-Beschreibungen beigefügt sind, recht gut gefallen. Sie wirken teilweise wie übermalte oder bearbeitete Fotos und zeigen im Spiel gut einsetzbare Gesichter.

Das erste Abenteuer, „Bad Company“, spielt in der Gaslicht-Ära (ca. 1895) und verstrickt die Charaktere tief in die korrupten Verwirrungen der victorianischen Gesellschaft. Ansehen ist hier alles, wie die Spieler bald feststellen müssen, egal, was hinter der Fassade lauert. Als ein Freund von ihnen verschwindet, heuert sein Vater die Charaktere an,anstatt die Polizei einzuschalten, um einen Skandal zu vermeiden. Die Nachforschungen führen unter anderem in die Künstler- und Theaterszene, die nicht weniger von Intrigen durchzogen ist als die „hohe Gesellschaft“. Die Stimmung von Dekadenz ist gut eingefangen. Das Ende ist recht offen, wenn auch auf eine Weise, die häufig benutzt wird: Die Charaktere haben herausgefunden, wo sich der Schrecken befindet und müssen nun überlegen, was sie damit machen. „Bad Company“ ist eine spannende Detektivgeschichte vor einer großartigen Kulisse.

Weniger beeindruckend ist „Darkness, Descending“. Die Charaktere arbeiten an einer kleinen archäologischen Ausgrabungsstätte in Norfolk, England; Zeit: 30er Jahre. Wie es sich für ein Abenteuer dieser Art gehört, findet natürlich jemand eigenartige Gegenstände – in diesem Fall kleine Statuen – und natürlich geschehen seltsame Dinge: Ein Toter wird gefunden, etc. Die Geschichte ist dabei durchaus spannend und solide gemacht, doch das Thema schon zu häufig verarbeitet, als dass es noch überraschen könnte. Wer allerdings noch nie ein Abenteuer dieser Art gespielt hat, sollte seine Freude daran haben.

„Wrong Turn“ spielt in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts. Eine Filmcrew soll die Station eines alten Radioteleskops überprüfen, ob sie als Kulisse für eine Serie benutzt werden kann. Zu diesem Zweck bleiben sie über Nacht, um Probeaufnahmen und Geräuschtests zu machen. Die Nacht wird zu einem surrealen Alptraum. Die Idee hinter den Ereignissen ist außergewöhnlich und hebt das Abenteuer damit über die eigentliche Handlung hinaus, die leider etwas dürftig ausfällt. Der Autor tappt in die alte Falle, Gruselszenen aneinanderzureihen, die zunächst keinen klar ersichtlichen Auswirkungen auf die Handlung haben, und sich zu sehr auf seine eine – zugegebenermaßen großartige – Idee zu konzentrieren. Das Abenteuer benötigt einen äußerst kreativen Spielleiter, der die Handlung an seine Gruppe anpasst.

„King“ und „My Little Sister Wants You To Suffer“ sind sich stilistisch so ähnlich, dass ich sie zusammen erwähne. Beide Male erwachen die Charaktere in einer unbekannten Umgebung und müssen von dort fliehen. Auf ihrer Flucht erfahren sie, wie (oder zumindest warum) sie in diese Situation gelangt sind und kämpfen gleichzeitig ums Überleben. Die Abenteuer sind quasi cthuloide Dungeoncrawls – im besten aller möglichen Sinne.

Der Beginn von „King“ ist genial: Die Charaktere erwachen blind, auf dem Bauch liegend und gefesselt. Eine Männerstimme erzählt, ihre Augen-OP wäre gut gelaufen, doch sie müssten für 24 Stunden unbeweglich mit dem Gesicht nach unten liegen, um keine Blindheit zu riskieren. Die medizinischen Erklärungen des Arztes sind so an den Haaren herbeigezogen, dass auch dem Laien klar sein sollte, dass etwas nicht stimmt. Dann ertönt der Schrei.

Nach dieser beeindruckenden Einstiegsszene kann das Abenteuer im weiteren Verlauf nur noch verlieren, wenn die Charaktere durch die Gänge des angeblichen Krankenhauses tappen und versuchen herauszufinden, was geschehen ist. Dennoch ist alles sehr spannend, gefährlich und mit der einen oder anderen gelungenen Pointe gewürzt und sollte den meisten Gruppen einen gelungenen Spielabend bescheren.

„My Little Sister Wants You To Suffer“ spielt in der Zukunft. Die Charaktere erwachen ohne Erinnerung in einem Raumschiffs. Offenbar gab es eine Fehlfunktion. Auch hier müssen sie sich durch die Gänge eines unbekannten „Gebäudes“ kämpfen und verschiedene gefährliche Situationen meistern. Die Stimmung ist anders als bei „King“, die Einzelsituationen gefährlicher und mit Rätseln versehen, die über reine Vergangenheitsforschung hinausgehen (Wie komme ich durch Tür X? Wie durchquere ich Gang Y, ohne dabei draufzugehen?). Wer sich hier an klassische Dungeons mit Rätseln und Monstern erinnert fühlt, liegt gar nicht so falsch, doch eine gemeine Pointe lässt die Dinge nachträglich in einem anderen Licht erscheinen und eine durchweg cthuloide und paranoide Stimmung sorgt für das Gelingen des Abenteuers.

Fazit: Es kann nie genug One-Shots für Cthulhu geben und „Cthulhu Britannica“ liefert eine schöne Auswahl an meist gelungenen Abenteuern – nicht perfekt, aber gut genug, um Freude an dem Buch zu haben. Obwohl verschiedene Zeiten genutzt werden, liegen diese größtenteils in den üblichen Bahnen, wodurch die Sammlung auch für Gruppen interessant sein dürfte, die ungern die offiziellen Zeitrahmen verlassen („Darkness, Descending“ kann leicht in die 20er versetzt werden).

Titel:
Cthulhu Britannica
Art:
Abenteuersammlung
Regeln:
Cthulhu
Sprache:
Englisch
Verlag:
Cublicle 7
Publikationsjahr:
2009
Autoren:
Alan Bligh, Keary Birch, John French, Paul Fricker, Mike Mason
Illustrationen:
Diverse
Coverdesign:
John Hodgson
Umfang:
160 Seiten
Bindung:
Softcover
Preis:
$ 29,95 €
Rezensent: Andreas Melhorn
Links:

2 Comments
1 Kommentare
  1. Ist gekauft! Der Sphärenmeister wird sich freuen!

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