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Sword & Sorcery
Manchmal gibt es Rollenspiele, die gelobt und gehypt werden, doch die Erklärungen, warum sie denn so gut sein sollen, verirren sich in Allgmeinplätzen wie „einfach und unkompliziert“, „tolle Welt“ oder „passt zum Genre“. Da wir Aussagen dieser Art schon viel zu häufig gehört haben, bleibt Skepsis. „Barbarians of Lemuria“ (BoL) war für mich so ein Spiel, doch nach noch nicht einmal zehn Seiten wusste ich, wo die allgemeine Begeisterung herkommt.
Das Cover des kleinen Buches (etwas größer als A5, ich vermute B5) haut mich allerdings nicht so vom Hocker. Es fängt die epische Barbarei der lemurischen Abenteuer gut ein, aber die Körperhaltungen der beiden zentralen Kämpfer verwirren mich genauso wie der Bildaufbau. Die Innenillustrationen gefallen mir da schon besser. Sie versprühen Sword-and-Sorcery-Charme und sind handwerklich hervorragend gemacht. Ein grauer Seitenhintergrund macht zwar das Lesen der kleinen Buchstaben etwas schwer, passt aber zum Gesamtbild. Das Buch ist stabil genug, um eine Weile am Spieltisch durchzuhalten und das Layout übersichtlich.
Schon die Einleitung zeigt mit welcher Informationsdichte es der Leser zu tun bekommt, denn statt des üblichen Blablas wird hier auf gerade mal vier Seiten die Geschichte des Kontinents Lemuria bis zum heutigen Tage zusammengefasst (mehr wird es im Buch nicht geben) und das Genre „Sword and Sorcery“ erklärt. In BoL geht es um große Abenteuer, Action, brutale Intrigen und fiese Monster. Diffizile Weltensimulationen wird man vergeblich suchen, stattdessen ziehen Leute wie Conan oder Fafhrd nur mit Fellen und Klischees bekleidet in den Kampf gegen bösartige Hexen und fleischfressende Riesenechsen. Nach der Lektüre der wenigen Absätze weiß der Leser zweifelsfrei, was für eine Art Spiel ihn erwartet, das Einzige, was noch fehlt, ist ein Überblick über das System. Diesen gibt es in Kapitel zwei, unspektakulär „Rollenspiel“ genannt. Hier wird erklärt, was eine „Laufbahn“ ist und wie der Kernmechanismus des Spiels funktioniert.
Die Charaktererschaffung ist einfach und schnell und doch gibt es genug Auswahl. Eine Figur besteht u. a. aus vier Kampfwerten (z. B. Nahkampf und Verteidigung), vier Attributen (z. B. Stärke und Verstand) und vier Laufbahnen. Von letzteren stehen 26 Stück zur Verfügung. Sie sind die Berufe, die eine Figur im Laufe ihres bisherigen Lebens durchlaufen hat. Man erinnere sich, dass Conan im Laufe seines Lebens, Dieb, Sklave, Pirat und sogar König war. So abwechslungsreiche Karrieren haben auch die Charaktere vorzuweisen.
Der Spieler verteilt jeweils 4 Punkte auf die drei verschiedenen Wertegruppen (0 ist erlaubt und erwünscht). Außerdem hat er noch Lebenspunkte, Lebensblut genannt und Gaben und Schwächen. Letztere kann er sich aus einer kurzen Liste aussuchen, die von seiner Herkunft bestimmt wird. So erfährt der Leser, wenn er über die Gaben der Bewohner der Klaar-Steppen oder der Stadt Satarla liest, auch gleich etwas über die Welt.
Die Charaktererschaffung ist einfach und trotzdem unglaublich flexibel. Die Laufbahnen sind ein perfekter Ersatz für Fertigkeiten. Sie erlauben Flexibilität, geben dem Charakter zusammen mit seiner Herkunft und eventuellen Gaben und Schwächen Individualität und decken gleichzeitig eine große Bandbreite an Fähigkeiten ab. Gelungen ist auch, dass alle Charaktere die gleichen Kampffähigkeiten haben, denn bei der Sword and Sorcery kann auch der Magier mit dem Schwert umgehen.
Die Einfachheit und Flexibilität spiegelt sich im Regelsystem wider. Bei einer Probe würfelt der Spieler 2W6 und zählt ein Attribut, eine Kampffertigkeit und/oder eine Laufbahn hinzu. Bei einem Ergebnis von 9 oder mehr ist die Probe gelungen. Schaden wird durch die Rüstung einer Figur modifiziert und von ihrem „Lebensblut“, den Lebenspunkten, abgezogen.
Magie ist bei Sword and Sorcery stets mächtig, aber auch unberechenbar und häufig böse. Die Magieregeln spiegeln das wider, werden aber wegen ihrer Einfachheit nicht jedem gefallen. Zauber sind in Stufen eingeteilt von Stufe 0 (alltägliche Dinge wie ein Feuer entzünden oder Leute beeinflussen) bis Stufe 3 (die Pest über eine Stadt bringen). Es gibt nur eine kurze Liste mit Beispielzaubern. Im Spiel beschreibt der Spieler, was seine Figur machen will, der Spielleiter legt die Stufe fest und anschließend handeln sie die Durchführung nach einigen einfachen und hervorragend gemachten Regeln aus, woraus sich die Kosten ergeben.
Priester können keine Magie, haben aber die Möglichkeit auf die Unterstützung ihrer Götter zurückzugreifen. Auch das ist einfach und gut geregelt, indem sie sich und anderen Vorteile bei Würfelproben verschaffen können, wenn es zum Gott passt.
Im Kapitel über Lemuria werden weitere Rassen einschließlich ihrer Gaben und Schwächen beschrieben (diejenigen, die weniger für Spieler geeignet sind), es gibt einen Überblick über den Kontinent (mit Karte), Beschreibungen der Götter Lemurias und natürlich diverse Monster. Wie im gesamten Buch wird hier mit breiten Pinselstrichen gezeichnet, aber aufgrund der hohen Informationsdichte ein großartiger Überblick gegeben.
Das Ende des Buches bilden einige Beispielcharaktere und drei vollständige (wenn auch einfache) Abenteuer, die zum sofortigen Losspielen einladen.
„Barbarians of Lemuria“ ist aus vielen Gründen ein fantastisches Buch und Spiel. Die hohe Informationsdichte kann gar nicht häufig genug erwähnt werden. Sie sorgt neben Übersichtlich- und Spielbarkeit für großen Lesespaß. Die Regeln sind trotz ihrer Einfachheit unglaublich flexibel und greifen wunderbar ineinander. Die Laufbahnen sind eine großartige Idee. Lemuria selbst wird hauptsächlich durch Regeln und Wesen beschrieben, doch auch hier gibt es genug Informationen, dass Spielleiter genug Arbeitsmaterial haben, ohne sich durch kleine Details kämpfen zu müssen. Sogar die Innencover werden genutzt: Mit den wichtigsten Tabellen und mit einer Karte von Lemuria. BoL ist neben Dungeonslayers eines der besten Rollenspiele der letzten Jahre und jedem ans Herz zu legen, der einfache Rollenspiele komplexen vorzieht.
Titel: Barbarians of Lemuria
Art: Regelwerk
Sprache: Deutsch
Verlag: Ulisses Spiele
Publikationsjahr: 2010
Autor: Simon Washbourne
Illustrationen: Björn Lensing
Coverdesign: Karsten Schreurs
Umfang: 160 Seiten
Bindung: Softcover
Preis: 19,95 €
Rezensent: Andreas Melhorn
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