Rezension: Tharun – Die Welt der Schwertmeister
tharun
Titel: Tharun – Die Welt der Schwertmeister
Art: Weltbeschreibung
Regeln: Systemneutral / DSA
Sprache: Deutsch
Verlag: Uhrwerk Verlag
Publikationsjahr: 2013
Autoren: Stefan Küppers, Arne Gniech und andere
Illustrationen: Eva Dünzinger, Björn Lensig, Mia Steingräber
Umfang: 278 Seiten
Bindung: Hardcover
Preis: 40 Euro
Rezensent: Jan-Paul Koopmann

Drei schwarze Flecken im Zentrum des Bildes zeigen eine sonderbare Karawane: Riesenhafte Skorpione mit Zelten auf dem Rücken ziehen durch ein felsiges Land. Der schraffierte Himmel im Hintergrund wirkt bedrohlich, die Landschaft unnahbar und feindselig. Menschen sind nicht zu sehen, sondern hinter den Zeltwänden nur zu erahnen.

Illustrationen wie diese machen den Kick an „Tharun – Die Welt der Schwertmeister“ aus, einer systemneutralen Weltbeschreibung, die Ende Dezember beim Uhrwerk Verlag erschienen ist. Sie geben Einblick in eine Welt, deren Fremdartigkeit, Rohheit und angedeutete Brutalität auch deshalb so verwundert, weil es sich hier um ein Spin-off des Schwarzen Auges handelt – einer Spielwelt also, die nicht gerade für ihre abgedrehten Einfälle bekannt und beliebt ist.

Zur Erinnerung: Tharun ist 1987 als Hohlwelt im Inneren des DSA-Planeten Dere in zwei Boxen beschrieben worden. Eine Art Arena für Spielercharaktere jenseits der Stufe 15, für die es an der Oberfläche langweilig zu werden drohte. Komisch war die Hohlwelt-Idee immer schon: Aus frühen naturwissenschaftlichen Spekulationen hat sie sich über den Entwurf esoterischen Gegenwelten zu einem beliebten Motiv des Pulp entwickelt und hat von jeder Station ein Bisschen mitgenommen. Tarzan-Schöpfer Edgar Rice Burroughs hat sie als Reservat für Dinosaurier und längst vergessene Naturvölker beschrieben, wenige Jahrzehnte später sind auch die Nazis eingezogen: Ein metaphorisches Sammelbecken für überwunden geglaubte Gefahren, Verlorenes und Verdrängtes. Sowas auch bei DSA zu implementieren war von Anfang an gewollter Fremdkörper – das sieht nicht erst heute so aus.

Viel ist damals leider nicht draus geworden, zumindest als loses Ende stand sie aber nun im Raum. Das heute wieder aufzugreifen, ist ein spannender Zug der Uhrwerker. Die Zeit der Universalspielhilfen scheint vorbei, die DSA-Gemeinde hat inzwischen gleich mehrere Zweitkontinente zur Auswahl und so richtig passt die Hohlwelt auch nicht mehr rein in den „phantastischen Realismus“, mit dem zu Brechen wirtschaftlicher Wahnsinn wäre.

Und so gibt es dann auch die aus DSA-Publikationen vertrauten, quasi-naturalistischen Beschreibungen von Ackerbau, Handelsgütern und Kleidungsstilen. Die Kulturschaffenden sind allesamt Menschen. Elfen, Zwerge lassen sich nicht blicken, überhaupt spielt Magie hier eine Nebenrolle. Die irdische Vorlage der Hohlweltbewohner ist das feudalistische Japan: Eine streng hierarchische, erstarrte Gesellschaft, die auf zahllose (einander sehr ähnliche) Inselgruppen verstreut ist, von denen das Buch eine nach der anderen trocken wegbeschreibt. Uninteressant ist das nicht, große Überraschungen bleiben aber aus.

Das lässt sich stellvertretend auch der beiliegende Farbkarte entnehmen: Ein blaues Rechteck, auf dem Inseln verstreut sind. Zumindest der Versuch wäre schön gewesen, die Dreidimensionalität der Kugel zu erfassen. Nicht dass wir Erdenbürger – als Bewohner einer Kugeloberfläche – das immer täten, aber ich hätte schon gerne gewusst, welche Insel da nachts als Sternenbild über meinen Spielern leuchtet.

Dabei ist Tharun eigentlich eine kriegerische Welt, regiert von „Samurai“ mit ihrem aus dem Kino bekannten Hang zu Gemetzel und Teezeremonie. Davon und von den Sword and Sorcery inspirierten Bildern sollte man sich allerdings nicht täuschen lassen: Besonders „questy” scheint das Spielerheldenleben auf Tharun nicht zu sein. Beim Lesen der lexikonartigen Weltbeschreibung drängt die Action auf der Suche nach Abenteueraufhängern jedenfalls nicht in den Vordergrund.

Von wochenlange Seereisen ist die Rede und von der Politik der oberen Klassen. Den Text kurz beiseite gelassen, sprechen die Bilder dabei eine ganz andere Sprache. Eins zeigt eine Stadt, deren gewaltige Mauern direkt in einen Festungsbau überzugehen, der in einer Wüste aufragt. Ein Bunkerklotz voller Abenteuer und weiß nicht was alles. Das und die Insektenreiter sind es, was über die fast 300 Seiten bei Laune hält. Leider zieht der Text nicht mit, wo die Bilder vorlegen. Es müssen ja keine Dungeonkarten sein, aber auch erzählerische Spotlights auf solchen Schauplätzen wären ein Hammer gewesen!

Und um auch das klar zu sagen: Natürlich gibt es SpielerInnen, die Bock auf diese Detailfülle haben. Auch eine asiatisch inspirierte Kultur ist längst überfällig und erschließt dem phantastischen Realismus gleich einen ganzen Batzen neuer Genres zum Ausschlachten. Nur sind die Inseln und Archipele so weit auseinander, dass sie ohnehin niemand alle bereisen wird. Warum sie also alle beschreiben, wenn die Unterschiede dann doch kaum ins Gewicht fallen?

Im Zuge der heutigen Ernsthaftigkeit ist Tharun übrigens auch keine richtige Hohlwelt mehr. Sie scheint sich zwar im Innern einer Kugel zu befinden, in deren Mitte eine sich regelmäßig verfärbende Erdkernsonne schwebt. Dere ist es aber nicht mehr. Stattdessen eine Globule irgendwo, eine andere Dimension sozusagen, von denen sich Hunderte an die offizielle Spielwelt kleben lassen, ohne einen Schaden zu verursachen. Also auch nichts mit Durchgraben.

Das fühlt sich wie ein kleiner Rückzug an, bringt aber zumindest ein paar Gedankenspiele für geschulte DSA-Kosmologen mit: Die Elemente funktionieren anders, die Götter auch und zwischen den Zeilen gibt es diverse Anspielungen auf gravierende Zusammenhänge. Für DSA-Kompletisten wahrscheinlich ein kleines Feuerwerk der Lebensfreude – wer in dieser Welt spielen will, als gäbe es die „Oberfläche“ nicht, kann nichts damit anfangen.

Die vorliegende Weltbeschreibung ist erst der Anfang. Regeln und damit vor allem auch Spielwerte der Monster folgen in späteren Bänden. Vielleicht liegt es am Ausgliedern der Monster, dass Tharun hier noch etwas fad daherkommt. An mangelnder Mühe der Autoren hat es jedenfalls nicht gelesen: Das Buch ist solide Handarbeit, sauber strukturiert, und schick illustriert. Und natürlich lassen sich auch hier irgendwo Ideen für spannende Abenteuer finden – man sollte nur wirklich etwas Geduld und guten Willen mitbringen. Für die Uhrwerker heißt es jetzt: Nachlegen! Misslungen ist an dem Buch schließlich nicht das, was drin steht, sondern das, was noch fehlt.

1 Comment
1 Kommentare
  1. Danke für die Besprechung!
    Allerdings sei der Hinweis erlaubt, dass wir in dem Band ausdrücklich offengelassen haben, ob Tharun innerhalb der derischen Kugel liegt oder eine Globule ist – oder beides.
    Zur Frage der Dreidimensionalität hoffen wir, dass es eine schöne Darstellung mithilfe der Dere-Globus-Software geben wird.

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