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Rezension: Shadowrun Lifestyle 2073
12 Jan 2013

Der Autor

Wenn ich nicht gerade spiele verunstalte ich Medien. Kommt einem zu Gute bei eigenen Rollenspielen wie Malmsturm oder Projekten wie Ratten!, Savage Worlds Gentlemens Edition, Scion, Sundered Skies und ein paar anderen. An und für sich bin ich der Erzählonkel, daher auch die große liebe zu FATE. Manchmal muss es aber auch ein Burger statt Steak sein und so wird gern und oft auch Savage Worlds oder wenn es klasisch sein soll Pathfinder und Konsorten gespielt. Ich probier gern und oft Systeme aus aber die eigentliche Leidenschaft sind die Hintergrundwelten.

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Titel: Lifestyle 2073
Art: Quellenbuch
System: Shadowrun
Sprache: Deutsch
Verlag: Pegasus Press
Publikationsjahr: 2012
Autor: Jason M. Hardy (Redaktion) u.v.m.
Illustrationen: Diverse
Umfang: 175 Seiten
Bindung: PDF/ Hardcover
Preis: 19,95€(pdf)/29,95€(Hardcover)
Rezensent: A. Giesbert
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Trotz einiger Anläufe bin ich nie ein Shadowrunner geworden. Schuld daran war zum einen das Klischee dass es nur um Runs und taktisches Vorgeplänkel geht und zum anderen dass ich nie dazu gekommen bin mich länger mit dem Hintergrund und der Spielwelt zu beschäftigen. Natürlich kannte ich den groben Hintergrund, die Goblinisierung etc. aber mehr als Soy-Frass und fancy Cyberstuff wusste ich über den Alltag der Runner nicht.
Lifestyle 2073 ist daher die perfekte Möglichkeit mich einmal anders, wenn auch nicht ganz vorurteilsfrei dem Phänomen Shadowrun zu nähern. Und da trifft das Quellenbuch genau ins Schwarze. Die 175 Seiten beschäftigen sich nämlich nicht nur mit dem Lifestyle, sondern auch noch einmal damit woher Shadowrunenr kommen, was sie sind, wie sie sich verhalten (sollten) und wieso Style so wichtig oder unwichtig ist. Der Hauptteil widmet sich aber natürlich Lifestyle und Freizeit. Popkultur und illegale und halblegale Hobbys stehen dabei klar im Mittelpunkt. Die BTL (Better Than Life) Szene und illegale Piratenmedien nehmen eben so Raum ein wie eine lange Abhandlung und Darstellung der Musik-Szene und des Profisports.
Damit nicht genug gibt es natürlich eine Vorstellung wichtiger Prominenter der 6. Welt und ein – tw. Mit Spielinformationen gespicktes – Kapitel über Modestyle. Allein vom Umfang her ist das Buch also ein reines (Shopping)Paradies für jeden Shadowrunner. Von praktischen Tipps für den nächsten Run über popkulturelle Kleinigkeiten hin zu vielen Details die den Alltag und die Spielrunde aufpeppen gibt es alles. Das Buch ist also ein Quellenbuch im besten Sinn. Es füllt die Welt mit einigen zusätzlichen Details und gibt jedem der will Anregungen und Ideen die nicht verpflichtend sind.
Dabei richtet sich das Buch an Spieler und Spielleiter zugleich. Wissen über den Modestyle der Zeit peppt nicht nur Charaktere sondern auch NPCs auf und die Infos über die Sportszene können ebenso zu einem lockeren Spruch des Runners über die Houston Oilers führen wie zu Abenteuerideen. Beides wird dabei sehr gut bedient indem die allgemeinen Überblicke immer wieder mit konkreten Beispielen und Abenteueraufhängern gefüttert werden. So reichen einige Zeilen darüber, das auch Konzernbosse zum Fussball gehen oder sich ein paar Stunden anstöpseln bzw. abschalten aus, um einen Aufhänger für einen kreativen Exekutionsjob zu geben.

Überhaupt ist das Buch sehr gut aufgebaut. Es beginnt mit dem Screenshot des „JackPoint“-Portals – einer Art Facebook für Runner – das die Fenster gleich für etwas Quellenbuchwerbung und Abenteuerideen nutzt. Darauf beginnt ein wirklich gut zu lesender Text der aus einer Runnerperspektive zu erzählen beginnt. Mit Ausnahme der üblichen 1-Seitigen Kurzgeschichten die jedes Kapitel beginnen ist der Großteil des Buches aus Sicht eines erfahrenen Runners geschrieben. Das führt zu einem sehr angenehmen Schreibstil, wenn auch nicht immer für optimale Übersichtlichkeit. Besonders cool sind dabei die eingefügten Kommentare anderer Runner die der Hauptdarstellung widersprechen oder andere Aspekte reinbringen. Das führt zu etwas Zerstreuung und würzt den Haupttext mit Abenteuerhooks und Persönlichkeit. Als ob das nicht genug wäre ergibt sich am Rande sogar etwas wie eine Story, die den Haupttext nicht einmal stört.

Was wäre wenn
Der Inhalt ist etwa das was man von Shadowrun erwarten kann: Eine Art „Was-wäre-wenn“-Spiel. Was wäre wenn die Welt sich 75 Jahre in die Zukunft gedreht hätte und Magie und Metarassen Einzug gehalten hätten…
Und das macht das vorliegende Buch dann auf einem sehr hohen Niveau. Wirklich erstaunliche aber plausible Verästelungen und Konsequenzen werden angesprochen und glänzen mit hoher Plausibilität. Natürlich sind manche Dinge nur geschrieben um den Nerd im Leser zu befriedigen, aber es wirkt nie an den Haaren herbeigezogen und wirkt allemal besser als popkulturelle Anspielungen in Fantasyromanen. So hat mich beispielsweise die Masse an E-Musikinstrumenten (natürlich auch für verschiedene Metarassen) in seiner Kreativität mehr als positiv überrascht. Gleiches gilt für den Sportteil. Die Darstellung der Sportarten ist zwar knapp aber ausreichend und jede Sportart behandelt welche Veränderungen und Regeln die Goblinisierung erzwungen hat. Selbst die Möglichkeit per Cybergliedmaßen den physischen Geschlechtsunterschied zu nivellieren und Frauen in den Männerprofisport zu integrieren hat hier eine Box bekommen. Und das der Basketball von den (schwarzen) Elfen kontrolliert wird ist zwar ein potentielles Fettnäpfchen, findet aber eine überzeugende Erklärung. Und auch wieso Trolle beim Baseball keine omnipräsenten Powerhitter sind wird mit ihrer Strikingzone wunderbar erklärt. Kurzum: Die Veränderungen wissen durch Ihre hohe Plausibilität und Kreativität zu überzeugen. So wird angedeutet in der Formel 1 würde diskutiert eine KI mitfahren zu lassen um Fahrergewicht zu sparen, Stickball hat seine Beliebtheit durch die Legalität von Magie und mit Hovercraft und Combatbiking wurden spannende Hybridsportarten erdacht.
Zusammengefasst gelingt es dem Buch eine plausible, spannende und facettenreiche Zukunftsvision zu entwerfen die das Alltagslevel durchdringt. An Kreativität, Plothooks und (zumindest mir ausreichender) Plausibilität mangelt es wirklich nicht. Dennoch bleibt für mich bei am Ende die Geschmacksfrage. Shadowrun ist in allem klinisch-dreckig: Die Gewaltspirale wurde angedreht, die sozialen Konflikte geschärft aber eben auch der Coolnessfaktor angekurbelt. Damit wirkt es – sicher auch gewollt – stellenweise wie eine Karikatur der Gegenwart, lässt aber bei aller Kreativität manchmal an Originalität vermissen.

Qualität
Zuletzt noch ein paar Worte zum Produkt selber. Der Umfang ist für den Preis gut, da das Buch bis zum Rand mit nützlichen und gut lesbaren Texten gefüllt ist. Auch die Illustrationen können sich durchweg sehen lassen, wenngleich es schade ist, dass hier verschiedene Künstler und Zeichenstile Einzug gefunden haben. Die Bilder sind jeweils in Shadowruntypische „Electro“-Rahmen eingefügt, was ein nettes Gimmick ist, mir aber persönlich nicht ganz zusagt da es dem Bild etwas Raum nimmt und sich manchmal etwas beißt (die Rahmen sind volle Graustufen, die Bilder manchmal hartes schwarz/weiß). Da ich die pdf rezensiere weiß ich aber natürlich nicht wie das im Druck wirkt. Das gilt auch für die Umschlagsillustrationen, die zumindest am iPad zu satt wirken. Ansonsten ist die pdf sehr gut umgesetzt. Ich hätte mir zwar gewünscht dass der Umschlag gesondert geliefert würde um Speicherplatz zu sparen und das erste öffnen angenehmer zu machen, die Textseiten öffnen sich aber auch mit dem ältesten iPad ohne Ladezeit. „Outlines“ ermöglichen einen Schnellzugriff auf die Kapitel, sind aber auch der einzige pdf-Service. Direktlinks wären schön gewesen, aber außer im Inhaltsverzeichnis und bei vereinzelten Querverweisen eh nicht sinnvoll. Auch sonst sprechen viele kleinere Details dafür, dass es sich um eine sehr solide pdf-Umsetzung handelt, wie z.B. die Texterkennung die auch die Ebenen nicht vermengt. Leider ist die pdf dafür mit 20€ nur ein Drittel günstiger als das Hardcover, weshalb sich jeder selber überlegen muss ob er – gerade bei den üblicherweise sehr guten Pegasus Hardcovern – nicht doch lieber zum Buch greift. Auch unabhängig vom pdf ist das Buch natürlich eine sehr gute Arbeit. Wenn ich nichts übersehen habe hat es keine Errata nötig und ist auch das Lektorat und die Übersetzung sehr gut, was im RPG-Sektor nun wirklich keine Selbstverständlichkeit ist.

Fazit
Nach Lektüre meines ersten Shadowrun Quellenbuchs bin ich sichtlich angetan. Das Buch ist ein Quellenbuch wie ich es mir wünsche und hat mir auch als Nichtrunner viele Anregungen gegeben. Auch wenn ich immer noch merke, dass der Shadowrunstyle nichts für mich ist, war es eine spannende und angenehm lesbare Lektüre. Demenstsprechend kann ich dem Buch genau die Empfehlung aussprechen die für alle guten Quellenbücher gilt: Wer Shadowrun spielt oder sich für den Shadowrun-Cyber/Biopunk erwärmen kann sollte dringend zugreifen.

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