Rezension: Marvel Heroic Roleplaying Basic Game
28 Mai 2012

Der Autor

Wenn ich nicht gerade spiele verunstalte ich Medien. Kommt einem zu Gute bei eigenen Rollenspielen wie Malmsturm oder Projekten wie Ratten!, Savage Worlds Gentlemens Edition, Scion, Sundered Skies und ein paar anderen. An und für sich bin ich der Erzählonkel, daher auch die große liebe zu FATE. Manchmal muss es aber auch ein Burger statt Steak sein und so wird gern und oft auch Savage Worlds oder wenn es klasisch sein soll Pathfinder und Konsorten gespielt. Ich probier gern und oft Systeme aus aber die eigentliche Leidenschaft sind die Hintergrundwelten.

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marvel heroic roleplaying cover
Art: Grundregelwerk
Regeln: Cortex plus
Sprache: Englisch
Verlag: Margaret Weis Productions
Publikationsjahr: 2012
Autor: Cam Banks, Matt Forbeck, Will Hindmarch, Philippe-Antoine Ménard, Jesse Scoble
Illustrationen: farbig
Umfang: 234 Seiten
Bindung: pdf / Softcover
Preis: ca. 10,- Euro / ca. 15,- Euro
Rezensent: Irene Strauß

Ich brüte mal wieder über den Anfang der Rezension. Man könnte ausholen über das Comic-Fandom. Man könnte von der The Avengers-Verfilmung überleiten. Aber eigentlich braucht man nicht viel zu sagen, oder?
Superhelden sind nicht erst interessant, seit Hollywood sie fürs breite Publikum entdeckt hat. Ob man nun früher Comics gelesen hat oder nur die Filme kennt, als Rollenspieler ist es nicht ungewöhnlich über die eine oder andere regeltechnische Umsetzung des Verkörperns von Superhelden gestolpert zu sein.
Etwas, das die Leser so sehr fasziniert wie die Superhelden, reizt auch es im Rollenspiel zu versuchen. Und bisher gab es schon einige Umsetzungen. Wie Champions von HERO System, in dem man seine eigenen Superhelden erschaffen kann. Oder Mutants and Masterminds, welches unter anderem die Möglichkeit bietet im DC Universum zu spielen. Oder das alte Marvel Super Heroes Role-Playing Game von TSR, in dem man eben jene Helden spielen konnte, die in den letzten Jahren ja auch so viele Filmumsetzungen erlebt haben.

Es ist wohl auch kein Zufall, rein marketingtechnisch, dass genau in diesem Jahr, pünktlich um den Filmstart von The Avengers herum, ein neues Lizenz-Rollenspiel für das Marvel-Universum herausgekommen ist.
Wirklich geschickt. Aber noch viel besser daran ist, dass dieses neue Marvel Heroic Roleplaying Game aus dem Hause Margaret Weis Productions auch wirklich was drauf hat.

Ich gebe zu, ich habe bisher keine anderen Superhelden-System gespielt. Auch wenn mich Truth & Justice allein wegen dem PDQ-System reizen würde. Champions, bzw. HERO System ist mir zu komplex. Über Mutants and Masterminds weiß ich nicht wirklich viel, aber wie erwähnt könnte man damit im DC Universum spielen – und ich muss zugeben, derzeit finde ich das Marvel-Universum ansprechender.

Zurück zum vorliegenden neuen Rollenspiel.Es war zuerst als pdf erhältlich, in dieser Form habe ich es auch begonnen zu lesen. Da es mir wirklich gut gefallen hat, war ich froh, dass die gedruckte Form schließlich auch recht einfach über amazon oder bookdepository zu erhalten war.

Zu beiden Erscheinungsformen sage ich zum Schluss noch ein paar Worte.

Wieder zurück zum Regelwerk selbst – es basiert grundlegend auf dem Cortex plus System, welches wiederum eine Weiterentwicklung von Cortex ist. Der Verlag MWP hat bisher viele Linzenz-Setting für Rollenspielsysteme genutzt, aber immer mit Cortex oder Cortex plus.
Wo Cortex plus drauf aufsteht, ist auch Cortex plus drin – nur ist es nicht jedes Mal das genau gleiche System. Im Gegenteil, Cortex plus wird immer ans Setting angepasst und so bleibt zwar wohl das Würfelsystem gleich, darüber hinaus sind aber deutliche Unterschiede da.
Leider, wie gesagt, kann ich das nicht genauer Ausführen, denn bisher habe ich noch keine der anderen Variationen wie z.B. Leverage oder Smallville gelesen.

Cortex nutzt jedenfalls ein Step-Die-System. D.h. Man braucht Würfel zwischen W4 und W12 und zwar mehrere, denn man bildet Würfelpools. Step-Die, weil eine Verbesserung eines Wertes(oder Verschlechterung) bedeutet, dass man den dazugehörigen Würfel gegen den nächst größeren Würfel austauscht.
Im MHR werden die zwei höchsten Würfelergebnisse addiert und gelten als Ergebnis (Total). Alle gewürfelten 1 werden beiseite gelegt und gelten als sogenannte oppurtunities – diese helfen dem Gegner, dazu gleich mehr. Und man bestimmt noch einen Effekt-Würfel.
Der Gegner, meist wohl der Spielleiter, hier The Watcher genannt, würfelt mit seinem Würfelpool dagegen und geht genauso vor. Das höhere Würfelergebnis also Total gewinnt.
Die Spieler haben die Möglichkeit mit Hilfe von Plot Points zuvor noch weiter Einfluss zu nehmen. So können sie zum Beispiel zusätzliche Würfel in den Pool bringen, oder zusätzliche Würfelergebnisse zum Total hinzuzählen oder auch ihre speziellen Kräfte und Spezialeffekte einsetzen.
Der Watcher hat keine Plot Points, ihm stehen dafür die sogenannten Doom Dice zur Verfügung. Mit diesen würfelt er gegen die Spieler, auch wenn diese nicht gegen einen NSC antreten, sondern versuchen etwas anderes zu erreichen. Man gibt also keine Schwierigkeit an, die überwürfelt werden muss, sondern würfelt immer gegeneinander. Im Laufe des Abenteuers/der Spielsitzung wächst dieser Doom Pool natürlich sowohl in Anzahl als auch in Würfelgrößen, dementsprechend können manche Aufgaben für die Spieler schwerer werden. (Außer sie haben einen Watcher wie mich – mein Würfelpech als SL hat schon einige Charaktere gerettet.) Die Doom Dice können aber auch zum Pool von NSCs hinzugefügt werden oder ähnlich wie die Plot Points der Spieler für Dinge darüber hinaus eingesetzt werden.

Soweit alles klar?
Ich könnte mir vorstellen, dass für Rollenspiel-Anfänger oder Rollenspieler, die selten Regelwerke lesen, das ganze Konzept anfangs etwas schwer zu verstehen ist. Vielleicht aber auch nur, wenn man sich noch nie mit dieser Richtung von Rollenspiel-Regeln beschäftigt hat. Ich persönlich finde es nicht nur ein sehr interessantes Würfelsystem, ich finde es auch klar und präzise geschrieben. Mir hat es Spaß gemacht, es zu lesen.
Interessanterweise sind im MHR zwar immer zur Erklärung Beispiele beigefügt, die mit Hilfe von farbigen großen Würfelbildern ziemlich deutlich sind, doch z.B. eine Beispielszene, wie man spielt, ist nicht dabei. Wie immer mag man sich an dieser Stelle in einer Diskussion zergehen, inwiefern solche Erklärungen nötig sind oder nicht. Aber immerhin gab es im Nachhinein ein Spielbeispiel, dass man bei MWP herunterladen kann.

Wie bildet man denn nun so einen Dice Pool?
Man nimmt zuerst den Würfel für die Affiliation – Solo, Buddy oder Team. Was man wählt, hängt davon ab, ob man alleine, mit einem oder zwei Kameraden (anderer SC oder ein NSC-Gefährte) oder eben im Team antritt. Auf diese drei Arten sind die drei Würfel W6, W8 und W10 verteilt. Man hat also immer eine recht schwache und eine recht starke Ausprägung.
Das ist etwas, das ich ziemlich brillant finde. Es wäre kein Mechanismus, den ich selbst in ein Regelwerk einbauen würde – wäre ich einfach nie auf die Idee gekommen. Aber er spiegelt die Abbildung der verschiedenen Superhelden einfach gut wieder. Es gibt Superhelden, die typischerweise lieber alleine handeln – Wolverine – oder die am besten im Team sind – Captain America. Möglicherweise ist es auch auf andere Systeme oder Genres übertragbar.

Hinzu kommt der Würfel einer Distinction – das ist am ehesten mit einem Aspekt zu vergleichen, wenn man FATE kennt. Eine Distinction ist eine Art Zitat oder Catchphrase oder ähnliches, das die Essenz oder Teile der essentiellen Persönlichkeit des Superhelden darstellen. Die Distinction gibt einem entweder einen W8 zum Würfelpool, wenn es sich um einen Vorteil handelt – oder einen W4, wenn sie eher behindernd wirkt. Dafür wiederum erhält man aber einen Plot Point zum Ausgleich.
Als nächstes kann man je eine Kraft (Power) aus jedem der Power Sets nehmen, die der Charakter hat. Muss halt passend eingesetzt werden. Und ja, Power Sets beschreiben die Superhelden-Fähigkeiten.
Als nächstes kann man noch eine Specialty hinzufügen. Specialties sind mehr oder weniger Fähigkeiten oder Talente oder Stunts, wie z.B. Athelic oder Tech.
Falls der Gegner Stress (die Darstellung der Verletzungen bzw. den Schaden, den man in körperlichen, mentalen oder emotionalen Konflikten erhält, ist wie bei FATE sogenannter Stress) oder andere hinderliche Würfel (complication dice) hat, kann man die auch in den Pool werfen.
Falls man ein Asset hat, hinein damit. Ein Asset – sowas wie ein Szenenaspekt.
Und schließlich gibt es noch push dice, stunt dice oder resources . . . Es kommt also schon ordentlich was zusammen.
Bevor man würfelt, dürfen noch Plot Points ausgegeben werden. Der Watcher macht das gleich, wie schon erwähnt auch, nur hat er Doom Dice zum Ausgeben.

Ich kann als FATE-Fan natürlich nicht umhin, auf Begriffe aus FATE zum Vergleich heranzuziehen. Man möge mir verzeihen, wenn man kein FATE-Kenner oder -Liebhaber ist. Es ist aber auch eine gute Art zu zeigen, warum MHR ein sehr stark von Indie-Einflüssen geprägtes Regelwerk ist.
Man vergesse ja auch nicht die Plot Points, die wie andere Gummipunkte in anderen Systemen ausgegeben werden können/müssen, aber auch reichlich verdient werden, wenn man seinen Charakter in Schwierigkeiten bringt.

Wie ich MHR im Vergleich zu FATE finde? Ich sehe es ähnlich wie bei PDQ: es hat ähnliche Grundlagen und Absichten. Und seine eigenen Stärken und Schwächen.
MHR ist vermutlich etwas komplexer, weil man mehr über die Power Sets, deren SFX und Limits wissen muss. Auch, weil beide Parteien, Spieler und Spielleiter bei jedem Würfelwurf gegeneinander würfeln – bei manchen FATE-Varianten würfelt der Spielleiter nicht häufig. Es kommt vermutlich darauf an, womit man selbst am besten zurecht kommt und ist entsprechend eine Geschmacksfrage.

Der Spielleiter, also Watcher, hat auf der einen Seite mehr Buchführung zu betreiben. Er muss schließlich die Übersicht über seinen Doom Pool halten, bei dem Würfel wegfallen oder „stepped up“ werden, d.h. eine Wüfelart hochgesetzt werden. Oder auch runter, je nach dem. Andererseits ist es klarer, was er mit dem Doom Pool anstellen kann, während ich das Verwalten von FATE-Punkten als Spielleitung manchmal nicht so klar sehe und mich auch ungern damit aufhalte.

Der Doom Pool wird über das Abenteuer hinweg immer größer – oder sollte er zumindest – was die Spannung hochtreibt und zugleich die Herausforderung. Auch kann der Spielleiter mit Hilfe des Doom Pools Szenen beenden und dadurch vielleicht mehr und gezielter, dabei aber durch Regeln abgedeckt, in den Erzählfluss eingreifen.

Oder nehmen wir die Initiative: es wird nicht gewürfelt. Es wird auch nicht auf einen bestimmten Wert geschaut. Nein, die Spieler dürfen entscheiden, wer anfängt. Der Watcher kann nur mit Hilfe seines Doom Pool etwas daran ändern. Nach dem der gewählte Spieler – es kann auch der Watcher sein – dran war, wählt dieser den nächsten, der an die Reihe kommen soll.
Das ist mir bisher noch nicht untergekommen, aber es macht richtig Sinn. Nur weil die Spieler dadurch alle zuerst drankommen könnten, heißt es nicht, dass es ein Vorteil ist. Wenn sie durch ihre Würfe Opportunities erzielen, wächst der Doom Pool bevor der Spielleiter zurück schlägt und gibt ihm vielleicht mehr macht gegen Ende der Runde. Großartig, oder?
Außerdem ermöglicht diese Initiative-Regel meiner Meinung nach ein größeres Vertrauen und Zusammenspiel zwischen Spielern und Spielleiter. Niemand schiebt etwas auf einen verpatzten Wurf oder sorgt irgendwie dafür, dass ausgerechnet der Wert hoch ist, der einen früh agieren lässt.

Im Großen und Ganzen sind es also komplexe, aber dennoch abstrakte und einfache Regeln. Die es auch schaffen, die Essenz des Superheldentum umzusetzen. Ich gewinne wirklich den Eindruck, dass man bei der Entwicklung der Regeln daran gegangen ist, sich erst die Superhelden anzusehen. Man hat als Grundlage versucht herauszufinden, was Superhelden neben ihren übernatürlichen Fähigkeiten oder Begabungen eigentlich ausmacht.
Ich bin kein Fan davon bereits bekannte und erkundete Settings (also z.B. Fernsehserien) zu benutzen. Ich habe immer Angst davor, dass Fanboys nur ihre Lieblingsgeschichten ohne viel Innovation nachspielen wollen.
Gut, ich wurde auch mehr als einmal vom Gegenteil überzeugt. Und hier wiederum bin ich tatsächlich mehr daran interessiert einen Marvel-Helden zu spielen, als einen eigenen Charakter zu erfinden. Ich gewinne durch die Regeln und die Aufbereitung den Eindruck, dass Superhelden dafür hervorragend geeignet sind. Vielleicht liegt es auch daran, dass durch Alternative Storylines oder Reboots der diversen Comicreihen ja ohnehin viele verschiedene aber in der Essenz gleiche Versionen der Superhelden zu finden sind. Was macht es da schon aus, die eigene Version hinzufügen?

Gleichzeitig kommen wir aber hier zu einem Kritikpunkt am System. Für mich ein nicht allzu großer Punkt, wie ich schon erklärt habe. Aber er sollte angesprochen werden, denn für manche ist es ein wichtiges Kriterium: MHR sieht vor, dass die Spieler einen der über 8.000 Marvel-Charaktere spielen. In diesem Grundregelwerk sind über 20 von ihnen mitgeliefert, voll ausgestattet und mit kurzer Zusammenfassung der Geschichte und der Persönlichkeit.
Sucht man nach Regeln, wie man sich einen eigenen individuellen Charakter bauen kann, dann wird man zwar fündig. Aber man erhält keine knallharten Tabellen und Kostenübersichten, die es einem erlauben, einfach so was zusammen zubauen. Natürlich wird einem erklärt, was der Charakter braucht und worauf man achten sollte. Aber um die Power Sets zuzuweisen, wird empfohlen die Power Sets zu kennen, die im Buch stehen und sie entsprechend seinen Vorstellungen und passend zum neuen Charakter umzubauen.
Es gibt also die Möglichkeit. Manche mögen diese Art vielleicht sogar als problemlos empfinden. Aber es ist nicht das typische Ich-bau-mir-einen-coolen-Charaktertyp-der-mit-allen-sieben-Wassern-des-Optimierens-gewaschen-ist-Feeling.

Habe ich was zu den Regeln vergessen? Ja, die Erfahrungspunkte, bzw. das Steigern der Charaktere. Es gibt sogenannte Meilensteine, die man beim Spielen erreichen kann, diese sind typisch für den Superhelden oder gehören zum Abenteuer, sollen also eine Motivation fürs Abenteuer bieten. Sie sind klar umrissen. Erreicht man die Meilensteine erhält man XP – 1, 3 oder 10. Mit den Erfahrungspunkten kann man seine Fähigkeiten steigern oder manche Sachen freischalten. Hat man den 10er Meilenstein erreicht, ist dieses Thema erledigt und man sucht sich einen neuen.
Recht einfach, Rollenspiel fördernd und gut nutzbar, um das Interesse am Plot aufrecht zu erhalten.

Etwas, das noch wichtig ist, und ein integraler Bestandteil von MHR ist: Events.
Abenteuer bzw. Kampagnen heißen Events. Ein kurzes Beispiel dafür ist gleich im Buch mitgeliefert. Es sollen noch weitere veröffentlicht werden. Und alle sind, soweit ich es verstanden habe, an den Geschehnissen der jüngsten Marvel-Universums-Geschichte angelehnt. Selbstverständlich kann man sich eigene überlegen, dass sollte auch nicht so schwer sein.
Aber es ist so schön einfach, sich die vorgefertigten Events zu holen. Dem Beispiel im Buch nach sind sie auch offen genug geschrieben, dass man natürlich Arbeit reinstecken kann/muss, um sie an die Spieler anzupassen. Aber eben auch offen genug, um nicht gleich den Plot umarbeiten zu müssen, damit die gewählten Superhelden-Rollen da auch hineinpassen.

Noch interessanter an dem Konzept: es werden auch immer Superhelden-Datafiles mitgeliefert. Teilweise vielleicht Versionen der Helden, die sich zu denen, die man bereits hat, unterscheiden. Einfach, weil sie in einem anderen Stadium ihrer Entwicklung sind. Und so werden auch weiter neue Marvel-Helden veröffentlicht. Schließlich sind zwar Iron Man, Captain America, Wolverine und Cyclops im MHR, aber kein Thor. (Diesen Faux-pas haben sie behoben, in dem sie seit kurzem eine Thor-Version zum Download anbieten. Link dazu siehe unten.)
Außerdem werden zwei Buchausgaben veröffentlicht: die Paperback-Version, ähnlich wie das Grundregelwerk und zum gleichen Preis. Dieses schimpft sich Essential und enthält das Event und die Datafiles. Und dann gibt es die Premium-Ausgabe, also in Hardcover und zusätzlich nochmal mit dem Operation Manual, sprich den Regeln wie sie auch im Basisspiel schon stehen.
Wenn man sich also nicht das Basisspiel kaufen will, vielleicht weil man nur an einem der Events interessiert ist, kann man also gerne zur Premium-Ausgabe greifen und spart ein bisschen Geld. Oder man kann das Basisspiel am Tisch den Spielern überlassen und hat neben dem Abenteuer auch noch die Regeln griffbereit in ein und dem selben Buch.
Man sieht: sie haben bei MWP voraus geplant und bei Erfolg – wonach es wohl derzeit aussieht – stehen noch genügend zukünftige Veröffentlichungen bevor.

Kommen wir zur Aufmachung: sehr ansprechend. Der Regelteil, das erwähnte Operation Manual ist in Blau gehalten. Das Event Breakout in Rot, die Seitenzahlen sind mit OM und BR davor zusätzlich leicht zur Unterscheidung zwischen Regeln und Abenteuer.
Gespickt mit meiner Meinung nach gut gewählten Bildern aus den Comics der letzten zehn Jahre, mit klaren Zusammenfassungen in den Randspalten und vielen Seitenverweisen, ist es ein angenehmes, übersichtliches und ansprechendes Layout. Wirklich toll.

In der Druckausgabe ebenfalls wunderschön und auch handlich.

Die reine Datenausgabe – welches ich über Drivethrurpg.com gekauft habe – bietet das Regelwerk als gut verlinktes pdf, die Datafiles in druckerfreundlicher Auflösung bzw. ohne den tintenverbrauchenden farbigen Hintergrund sowie ein Player Sheet und ein Watcher Sheet, auf denen jeweils die nötigen Regeln ziemlich klar und ausreichend zusammengefasst sind. Diese Sheets sind natürlich auch über MWP direkt und kostenlos herunterzuladen.

Es gibt nur eines, was ich am pdf des Basisspiels nicht gut heißen kann: die problematische Darstellung auf dem iPhone und so weit ich weiß auch auf dem iPad. Es ist einfach ein Apple-Problem, das man aber als Verlag wirklich versuchen sollte zu lösen. Denn manche Grafiken überlagern den Text. So kann man eben nicht alles lesen, womit das schnelle Nachschlagen auf dem mobilen Gerät zur unerfreulichen Überraschung werden könnte.
Bisher gab es kein Update, das diesen Fehler behebt. Oder irre ich da? Straft mich bitte und gerne der fehlenden Recherche, ich würde mich freuen.

Das Fazit des Ganzen?
Ich kann mich offensichtlich nicht kurzfassen.
Aber das MHR war mir eine äußerste Freude zu lesen. Ich will es sicherlich nicht als Dauerkampagne spielen, aber es reizt mich es auszuprobieren und auch, die zukünftigen Veröffentlichungen zu kaufen.
Genauso macht es mir das Cortex-System schmackhaft und ich werde mir auf jeden Fall noch Leverage genauer anschauen.
Kann ich es jedem empfehlen? Sicherlich keinem, der Comics überhaupt nicht mag und Superhelden für Weicheier hält. Aber selbst jemand, der sich mit Comics nicht auskennt, dem das Marvel-Universum wie ein einziges wahnsinniges Labyrinth vorkommt, der kann sich mit dem MHR an die Aufgabe wagen.
Habt ihr Nicht-RPG-Freunde, die bei The Avengers sabbernd im Kino saßen und von denen ihr den Eindruck hatten, sie wären gerne der Hulk oder Tony Stark? Mit MHR könnte man sie Ködern.
Für den generell interessierten RPG-Fan, der sich manche Regelwerke nur anschaut, um Inspiration zu erhalten, kann ich es auch nur ans Herz legen. Wie erwähnt, ist es stark von Indie-Spielen beeinflusst. Und ich glaube mich zu erinnern, dass Fred Hicks (ja, der von Evil Hat und FATE3) getwittert hatte, er könne sich vorstellen, dass in der Zukunft eine Verschmelzung von Fate und Cortex liegt. Oder so.
Kaufempfehlung? Bei dem Preis und der Aufmachung? Als Druckausgabe allemal. Als pdf? Nur wenn ihr kein Apple-Gerät habt. Schade, das ist echt ein bisschen ein Wermutstropfen.

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6 Comments
4 Kommentare
  1. Ich habe kein Problem das PDF auf dem iPad zu lesen, zumindest mit dem GoodReader.

  2. Ich teile die Einschätzung, daß MHR etwas für NICHT-Rollenspieler sein könnte, die den Avengers-Film gut fanden und sich spielerisch in diesem Genre tummeln können, überhaupt nicht.

    MHR ist dafür mit zu vielen mehr EIGEN-GESTALTUNGSWILLEN FORDERNDEN Mechaniken ausgestattet, die man nicht auf die Schnelle einem Nicht-Rollenspieler, der eher strukturiertere Spiele (wie Brettspiele) kennt, nahebringen kann.

    Und sogar altgediente Rollenspieler tun sich mit dem neuen Cortex+-Spielansatz oftmals ziemlich schwert (wenn auch meiner Erfahrung nach weit weniger schwer als mit FATE).

    Wenn man einen recht guten, recht strukturierten Einstieg in Cortex+ sucht, dann ist man mti Dragon Brigade: Opening Salvo – dem kostenlosen Preview des leider erst nächstes Jahr erscheinenen Mantel&Degen&Magie-Settings nach den Dragon-Brigade-Romanen besser bedient als mit MHR.

    Mein persönlicher Favorit ist und bleibt Leverage RPG. – Das ist nicht nur die meines Erachtens beste, am nähesten an der Vorlage angelehnte Fassung eines TV-Serien-Pen&Paper-Rollenspiels, die mir in den letzten 30+ Jahren begegnet ist. Es ist auch das am stärksten fokussierte, am klarsten dargelegte Cortex+-System, das man derzeit finden kann.

    Smallville hat hier viel zu viel Erklärungsbedarf, den man nur aus Foren, aber nicht aus dem Regelsystem selbst decken kann.

    Und MHR ist zwar auch sehr fokussiert, doch fehlen manche Bereiche bzw. sind nur als „Randthemen“ geboten, wie die Erstellung eigener Szenarien (Events), eigener Charaktere (Datafiles) und – SEHR SCHWIERIG! – eigener Milestones für die Events und die Charaktere (ebenso Unlockables).

    Die Unterstützung für das SELBSTMACHEN ist bei MHR sehr wenig ausgeprägt. Das heißt nicht, daß es nicht ginge – das Gegenteil beweisen ja die zahlreichen im Internet zu findenden Eigenbauten für MHR. Aber der Leser wird NICHT auf das Selbstmachen hingeführt, sondern soll nur in die Lage versetzt werden, die vorproduzierten Abenteuer, die Events, zu spielen.

    Dahinter steckt natürlich eine Vermarktungs-Idee, an der Marvel selbst nicht ganz unschuldig sein dürfte. – Mal sehen, ob die für das Pen&Paper-Hobby so wichtigen Do-it-yourself-Anleitungen via RPG.net und MWP-Forum nachgereicht werden.

    Wer Cortex+ mit allem, also mit Selbstbastelanleitung, eigener Charaktererschaffung, Erfahrungssystem usw. kennenlernen möchte, dem rate ich eher zu Leverage RPG als zu MHR.

  3. >>Denn manche Grafiken überlagern den Text. So kann man eben nicht alles lesen, womit das schnelle Nachschlagen auf dem mobilen Gerät zur unerfreulichen Überraschung werden könnte.<<

    Apple ist ein Multimilliarden Konzern, Margaret Weis Productions eine Mischung aus Hobby und Nebenverdient Unternehmen. Ganz sicher wäre es an Apple, hier Abhilfe zu schaffen – und nicht an MWP. Aber wie bei vielen Apple Dingen liegt halt mehr Fokus auf Design/Optik, als auf technische Feinheiten.

    Ansonsten gute Rezi, aber mir eprsönlich zu ausufernd im Regelteil. Ich hätte gern noch mehr über die vorhandenen/erschaffbaren Superhelden und über längerfristige Kampagnen gelesen.

  4. Sehr ausführliche Rezension. Ich bin selber total begeistert von diesem System, vor allem, weil es das vollbringt, woran viele Superheldensysteme scheitern: Hawkeye und Black Widow neben so jemanden wie den Hulk oder Thor zu stellen, ohne dass sich eine Seite langweilen muss, oder der DM immer ziemlich genau darauf achten muss, wem er welche Herausforderung angibt. Im Marvel Heroic Roleplay zählt halt wesentlich stärker der Einfluss eines Charakters auf die Story, als seine tatsächliche Macht.

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