Rezension: Savage Worlds Mars
07 Feb 2010

Der Autor

Wenn ich nicht gerade spiele verunstalte ich Medien. Kommt einem zu Gute bei eigenen Rollenspielen wie Malmsturm oder Projekten wie Ratten!, Savage Worlds Gentlemens Edition, Scion, Sundered Skies und ein paar anderen. An und für sich bin ich der Erzählonkel, daher auch die große liebe zu FATE. Manchmal muss es aber auch ein Burger statt Steak sein und so wird gern und oft auch Savage Worlds oder wenn es klasisch sein soll Pathfinder und Konsorten gespielt. Ich probier gern und oft Systeme aus aber die eigentliche Leidenschaft sind die Hintergrundwelten.

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Mars Logo

Kampagnen-Hintergrund

Mit MARS präsentiert Adamant Entertainment unter Vertrieb von Cubicle 7 ein „Savaging“ ihres einst für d20 Modern entwickelten „Planetary Romance“-Settings. Angesichts der mangelnden Popularität dieses Genres hierzulande stellt sich dem deutschen Rollenspieler natürlich die Frage, was er sich darunter vorzustellen hat. Planetary Romance ist quasi eine Vermengung des Romantic-Fantasy- mit dem Science-Fiction-Genre. Es geht um Pulp-Abenteuer auf exotischen Planeten – in diesem Fall eben der Mars, der zwar noch kein toter, aber wohl ein sterbender Planet ist.

Einst umspannte die Zivilisation der menschen-ähnlichen roten Marsianer den gesamten Planeten, doch machte eine fortschreitende Klimakatastrophe ihrem Reich ein Ende: Der Mars beginnt auszutrocknen. In einem verzweifelten Versuch, ihre Zivilisation zu erhalten, erbauten die roten Marsianer große Kanäle, die Wasser von den Polen über die Planetenoberfläche leiteten und somit zumindest einige Landstriche bewohnbar hielten.
In der abgelegenen Einöde breiten sich nun die barbarischen Stämme der insektoiden grünen Marsianer aus, während sich in den Wäldern an den Polen die weißen Affen – ehemals Sklaven, die für den Bau der Kanäle eingespannt wurden – zusammenrotten. Und unter der Oberfläche verbergen sich noch weitere Gefahren …

Inhalt:
Die Vorstellung der Geschichte und Geographie dieses doch recht originellen Settings nimmt mit 27 Seiten das erste Kapitel ein. Das zweite Kapitel widmet sich anschließend der Charaktererschaffung und im Zuge dieser auch der Vorstellung der Rassen. Und unter diesen sticht doch die ein oder andere überraschend ins Auge.

Neben den essentiellen oben bereits genannten Mars-Rassen, die untereinander doch recht antagonistisch agieren, finden sich noch graue Marsianer, Synthe-men und … Erdlinge!

Die grauen Marsianer – lichtscheue Landtintenfische, die sich in verrückter Wissenschaft üben – überraschen mit Werten als Spielerrasse, obwohl sie eigentlich als Antagonist konzipiert wurden und sich mit ihrer eiskalten Rationalität und dem sporadischen Hungerrausch auf rotes Fleisch höchstens für eine äußerst kurzlebige Alternativkampagne eignen.

Die Synthe-men sind eine künstlich gezeugte Sklavenrasse der roten Marsianer, die quasi als Ersatz für die rebellierenden weißen Affen diente. Aufgrund ihrer mangelnden Eigeninitiative also eher was für devote Spielernaturen.

Die Erdlinge sind ein Zugeständnis an Genrekonventionen, nach denen es einen einsamen Menschen von der Erde auf einen fremden Planeten verschlägt, wo er sich als vom Schicksal gesandter Held erweist und außergewöhnliche Fähigkeiten entwickelt. Im Zuge dieser Vorstellung wird offenbart, dass MARS parallel zur Geschichte der Erde zwischen 1850 und 1950 stattfindet bzw. stattfinden kann, so dies der Spielleiter wünscht.

Auffällig ist die Abwesenheit von arkanen Hintergründen. Die grauen Marsianer verfügen zwar über verrückte Wissenschaft, stellen aber als Antagonisten auch die Ausnahme dar. Gleiches gilt für Psionik, die zwar existiert, aber genre-typisch auch eher den Bösewichten vorbehalten bleiben sollte – von den Helden wird erwartet, den unnatürlichen Fähigkeiten ihres Feindes mit bloßem Können zu trotzen.

Schon beim Anblick der Werte der Spielerrassen zeichnet sich allerdings ab, was sich bei weiterer Lektüre der neuen Edges bestätigt: Savage MARS bricht mit der etablierten Spielbalance des Savage-Worlds-Regelwerks. Die Werte der Rassen sind recht unausgeglichen, aber durch die Bank auf ein höheres Powerniveau ausgelegt – dies mag der etwas ungelenken Konvertierung des d20-Materials geschuldet sein. Als Beispiel sollen hier einmal die grünen Marsianer dienen, die allenfalls als einen Kopf größer als die anderen Rassen dargestellt werden, aber über eine Size von +3 verfügen. Nun mag man argumentieren, dass sie einfach als äußerst robust dargestellt werden sollten, allerdings geschieht dies bereits durch einen natürlichen Panzerungswert von 2 und einen Vigor-Startwert von d6 (insgesamt also ein Toughness-Vorsprung von +6 gegenüber einem „normalen“ Startcharakter). Während sich die Rassen innerhalb des Settings noch einigermaßen die Waage halten, stellen die neuen Edges die aus dem Grundregelwerk, die ja in diesem Setting auch weiterhin Bestand haben, in den Schatten.

Dieser Eindruck setzt sich in darauf folgenden Ausrüstungs-Kapitel fort, wo hauchdünne Seidenkleidung bereits einen Panzerungsbonus von +2 (eigentlich das Äquivalent eines Kettenhemds), Plattenpanzerung dafür aber auch einen von +5 gewährt. Hier muss man den Entwicklern zugute halten, dass dies eigentlich nur die logische Schlussfolgerung aus den aktuellen Nahkampfschadensregeln (Way of the Brave, für eingeweihte Savages) ist, welche den Schadensoutput enorm angehoben haben. Analog dazu verursachen auch die setting-spezifischen Fernkampfwaffen auch etwas mehr Schaden.

In Kapitel 4 werden kurz die Settingregeln vorgestellt. Wie auch schon bei den Daring Tales of Adventure von Triple Ace Games findet sich hier eine „Unsterblichkeitsklausel“ für Spielercharaktere. Das heißt: Charaktere können höchstens durch einen separaten, willentlichen Akt (Todesstoß) eines Bösewichts getötet werden – aber auch nur dann, wenn sie wehrlos bzw. bewusstlos sind. Alle anderen im Kampf erlittenen Verwundungen enden keinesfalls tödlich. Weiterhin finden sich in diesem Kapitel noch neue NSC-Regeln (die schon aus anderen Settings bekannten Henchmen und Mooks) und Regeln für Luftschiffe (Neuaufguss der Fahrzeugregeln)

Kapitel 5 ist dem Spielleiter bzw. dem Spielleitern gewidmet. Es wird das Planetary-Romance-Genre an sich erläutert sowie Hilfestellung zur Erstellung passender Abenteuer geliefert, unter anderem auch in Form eines Abenteuergenerators.

Mit Kapitel 6 findet sich das obligatorische Bestiarium. Dieses fällt allerdings recht kurz aus, behilft sich jedoch mit einem Monstergenerator, mit welchem normale Tiere durch zufällig bestimmte neue kosmetische und physische Eigenschaften in exotische Bestien verwandelt werden können.

Kapitel 7 beinhaltet die aus fünf Einzelabenteuern bestehende Kampagne „Slavers of Mars“, die einst als eigenständiges d20-Produkt veröffentlicht wurde – scheinbar ein Zugeständnis an die Savages, die spielfertiges Material im Kampagnenband erwarten. Abgerundet wird das Kapitel durch Abenteuer-Hooks und ein weiteres ausgearbeitetes Kurzabenteuer. Kapitel 8 ergänzt dies noch durch Zufallsbegegnungstabellen und NSC-Werte.

Aufmachung:
Cubicle 7 liefert uns MARS als 192-seitiges Hardcover im US-Letter-Format (kurz gesagt, das „amerikanische A4“). Der Innenteil ist durchgehend schwarz-weiß und relativ spartanisch gelayoutet, was jedoch der Leserlichkeit zuträglich ist. Das Artwork ist von wechselnder Qualität, dafür aber großzügig vorhanden – allerdings wiederholen sich gelegentlich einige Bilder.

Fazit:
MARS präsentiert ein originelles Setting in einem noch unterbedienten Genre. Mir drängte sich dauernd ein Vergleich zu Masters of the Universe auf, wenn auch mit etwas reduzierter Übernatürlichkeit.
Getrübt wird dieser Eindruck leider durch die eher unmotivierte Konvertierung der d20-Regeln, die vielerorts merklich durchscheint. Dennoch ist das Setting in sich mit den präsentierten Mechaniken spielbar, weicht aber deutlich von gewohnten Maßstäben ab – ein Ausschlachten für andere Savage Settings empfiehlt sich also nicht.
Das Artwork ist zwar größtenteils stimmig, schafft es aber durch das nüchterne Textbuch-Layout nicht, eine entsprechende Atmosphäre zu vermitteln, und wirkt eher zusammenhangslos dahingeklatscht – schade.
Trotz merklicher Schwächen verbirgt sich aber ein im Kern vielseitiges und unverbrauchtes Setting, das den Savage-Worlds-Regeln eigentlich gut zusteht. Wer sich von der biederen Präsentation und den für „konservative Savage“ überzogenen Werten nicht abschrecken lässt, wird hier auf jeden Fall seinen Spaß haben. Im Zuge dieses Zwiespalts, der mich selbst plagt, vergebe ich drei von fünf Sternen.

Titel: MARS
Art: Kampagnensetting
Regeln: Savage Worlds
Sprache: Englisch
Verlag: Adamant Entertainment
Publikationsjahr: 2009
Autor: Lizard, Gareth-Michael Skarka, Walt Ciechanowski, Aaron Rosenberg, Jess Nevins
Illustrationen: Eric Lofgren (Cover), Igor Kieryluk, A. Nemo, Christophe Swal, Mark Maddox, Gabe Thomas, Jonathan Tiu, Matthew Vasey, Jason Walton, K. Yanner
Farbe: schwarz/weiß
Umfang: 192 Seiten
Bindung: Hardcover
Preis: $34.95
ISBN: 978-1-907204-01-2
Rezensent: Sascha Schnitzer
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1 Comment
1 Kommentare
  1. Hatte es mir für einen Dollar bei drivethrurpg.com gesichert und war nach dem ersten Durchblättern recht angetan. Aber die etwas fragwürdige Konvertierung von d20 zu SW trübt jetzt etwas meinen Wunsch, es in nächster Zeit zu lesen. Andererseits steigt mein Wunsch, mir ein eigenes Bild zu machen. 😉
    Gelungene Rezi jedenfalls, danke dafür. 🙂

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